Warnende Begebenheiten

■ Der Herausgeber der führenden unabhängigen Zeitung Sambias riskiert das Blatt durch unnötige Verleumdungen

Nach fünf Jahren ist das Strickmuster ermüdend vertraut: Der unter Druck stehende Präsident auf Lebenszeit beugt sich endlich den Forderungen nach einer Mehrparteiendemokratie; die Opposition kommt an die Macht, weil sie all die fundamentalen Freiheiten verspricht, die der in Ungnade gefallene Tyrann versagt hatte; und kaum ist ein Jahr vorüber, fragt sich das – wieder einmal auf eine bequeme Abstraktion reduzierte – Volk, ob die ganze Übung das lange Warten unter heißer Sonne überhaupt gelohnt hat.

Für einige war natürlich nach 27 Jahren ununterbrochener Einparteienherrschaft schon die bloße Aussicht auf Veränderung genug. Aber die meisten Menschen, mit denen ich während der Wahlen in Sambia Ende 1991 sprach, hofften, daß der ehemalige Gewerkschaftsführer und Präsidentschaftskandidat Frederick Chiluba die Angelegenheiten des Landes mit größerer Transparenz behandeln würde als sein Vorgänger; und deshalb verschafften sie ihm bereitwillig das Mandat, um das er sich bewarb.

Aber es sollte nicht sein. All die hochtrabenden Worte vor der Wahl über die Notwendigkeit, die Unabhängigkeit der Medien zu sichern, erwiesen sich als Täuschungsmanöver. Bei seiner ersten Konferenz nach der Machtübernahme im November 1991 zum Beispiel sprach Präsident Chiluba von den Schäden, die die Medien anrichten könnten, wenn sie „das Falsche“ schrieben, und mahnte die Presse zu „Verantwortlichkeit“. Daraus erklärt sich die nachfolgende Weigerung, die beiden staatlichen Tageszeitungen – Times of Zambia und Zambia Daily Mail – zu privatisieren oder die Eingriffe der Regierung in die Arbeit der staatlichen Zambia National Broadcasting Corporation (ZNBC) zu drosseln, die von der Bewegung für die Mehrparteiendemokratie (MMD) verklagt worden war, weil sie von der Partei bereits bezahlte Werbesendungen nicht ausgestrahlt hatte.

Präsident Chilubas Verwendung des Wortes „verantwortlich“ ist unglückselig – nicht zuletzt, weil die Definition dessen, was verantwortlichen Journalismus ausmacht, weitgehend davon abhängt, auf welcher Seite man steht. Für den Politiker bedeutet „verantwortlich“ im allgemeinen eine positive Einstellung zur Regierung – bis zu dem Grad, daß Korruptions- und Unfähigkeitsvorwürfe schweigend übergangen werden; für den Zeitungsherausgeber bedeutet das Wort gewöhnlich (aber nicht unweigerlich) das genaue Gegenteil – und zwar in einem Maße, daß der Chef einer unabhängigen Zeitung, Fred M'membe, vor kurzem im Namen der Pressefreiheit sein Recht verteidigte, auch offenkundige Irrtümer zu veröffentlichen: „Die Presse irrt sich, aber das tun Politiker und Regierungen auch. In den letzten drei Jahren habe ich über 200 Kommentare geschrieben. Die könnten alle falsch gewesen sein, aber das stört mich nicht besonders. Mich stört vielmehr die Aussicht, keinen weiteren falschen Kommentar mehr schreiben zu können ...“

M'membes Zeitung The Post ist die einzige unabhängige Publikation des Landes, der die Behörden besondere Beachtung schenken – aber das ist keine Überraschung. Mit Ausnahme des wöchentlich erscheinenden National Mirror ziehen es alle anderen – Crime News, Profit, The Sun und der Weekly Express – vor, der direkten Konfrontation mit der Regierung aus dem Wege zu gehen; und der National Mirror, obwohl auf seine Art furchtlos, wird vom Christian Council of Zambia herausgegeben. Die Verbindung zur Kirche ist entscheidend. Präsident Chiluba selbst ist ein wiedergeborener Christ, der Sambia mehrfach als ein christliches Land bezeichnet hat, den säkularistischen Verfassungsbestimmungen und einer bedeutenden muslimischen Minderheit zum Trotz. Eine der ersten Maßnahmen der Regierung nach dem Amtsantritt bestand darin, ein muslimisches Radioprogramm zu verbieten (das Verbot ist inzwischen wieder aufgehoben). Vor kurzem wurden vier Lizenzen für private Radiosender erteilt – sämtlich an christliche Gruppierungen.

Zwischen Fakten und Verleumdungen

Bereits im März 1993 drohte der Präsident mit einer Klage gegen The Post, nachdem er in einer Reihe von Artikeln im Jahr zuvor beschuldigt wurde, er habe im Rahmen eines Vertrages mit einer südafrikanischen Firma einen Mercedes-Benz im Wert von 18.000 US-Dollar angenommen. Der Generalstaatsanwalt, Ali Hamir, forderte, M'membe solle sich entschuldigen und Schadensersatz leisten, sonst müsse er mit einem Verfahren rechnen. M'membe verweigerte die Entschuldigung, aber das Verfahren wurde schließlich dennoch eingestellt.

Drei Monate später veröffentlichte die Zeitung einen durch offizielle Dokumente gestützten Bericht, wonach ein Regierungsmitglied am Drogenschmuggel beteiligt sei. Die Polizei verlangte, die Zeitung solle ihre Quellen offenlegen. M'membe weigerte sich und wurde für kurze Zeit in Haft genommen. Einige Monate später, am 16. September, wurde ein Lieferwagen mit 50.000 Zeitungen auf dem Weg von Ndola im Norden in die Hauptstadt Lusaka von bewaffneten Männern überfallen. Der Fahrer wurde zusammengeschlagen, und die Zeitungspakete wurden verbrannt.

Im April des folgenden Jahres beschuldigte Präsident Chiluba M'membe und seinen Assistenten Bright Mwape der Verleumdung – aufgrund einer Geschichte, in der ein ehemaliger Minister den Präsidenten „eine Null“ nannte. Vier Monate später wurde M'membe zusammen mit acht seiner Kollegen in fünf Verfahren wegen krimineller Verleumdung gegen den Pressesekretär des Präsidenten angeklagt: einmal wegen krimineller Verleumdung des Präsidenten, zweimal wegen Abdrucks und Besitzes geheimer Dokumente und noch einmal wegen Veröffentlichung falscher Geschichten mit der Absicht, die Öffentlichkeit in Unruhe zu versetzen. Laut dem Anwalt der Zeitung, Sakwiba Sikota, bezogen sich die Anklagen auf verschiedene Artikel, die in den vorangegangenen Wochen veröffentlicht worden waren, darunter ein Bericht, der Präsident sei am Drogenschmuggel beteiligt, sowie die Veröffentlichung von geheimen Plänen, die Mietzuschüsse für Regierungsbeamte zu streichen. Sämtliche Verfahren laufen. Bereits jetzt konnte Michael Sata, 1993 Minister für Arbeit und soziale Dienste, mit drei Verleumdungsklagen ein Urteil ereichen, das M'membe zur Zahlung von einer Million Kwacha (1.000 US- Dollar) verpflichtete.

Allzu sehr auf Richtergunst gesetzt

Eine Zeitung durch Geldbußen aus dem Geschäft zu drängen, ist natürlich fast noch besser als ein offenes Verbot, das nicht so einfach durchzusetzen ist, wenn ein Land für seine Ernährung auf den guten Willen der internationalen Gebergemeinschaft angewiesen ist. Die Besonderheit bei diesem Fall liegt im Verhalten der Post: Sie hat nicht gerade dazu beigetragen, ein günstigeres Urteil zu erzielen. Das zeigt sich besonders deutlich in den von Michael Sata angestrengten Prozessen. Der erste folgte auf einen Artikel in der Ausgabe vom 22. bis 28. Mai 1992, in dem der Minister der „politischen Prostitution“ beschuldigt wurde, weil er von der ehemals herrschenden Partei zur jetzt herrschenden übergetreten sei, nachdem klargeworden war, daß die MMD bei den Wahlen gewinnen würde. In dem Artikel wurde der Minister außerdem als „offensichtlich unehrenhafter Mann“ bezeichnet, wegen seines angeblich empörenden Verhaltens im Fernsehen und aufgrund der Tatsache, daß für eine Anti-Korruptions-Untersuchung eine Kommission eingerichtet worden war, die auch sein Verhalten überprüft hatte.

Die zweite Verleumdungsklage betraf einen Artikel in der Ausgabe vom 31. Juli bis 6. August 1992. Darin wurde behauptet, der Minister habe 60 Millionen Kwacha, die für Angestellte des Stadtrates von Lusaka bestimmt waren, sowie weitere 1,6 Milliarden Kwacha – Gehaltserhöhungen für die lokalen Behördenangestellten – auf ein Festkonto umgeleitet, zur persönlichen Verwendung bei einem Wohnbauprojekt, an dem er beteiligt war. Der Artikel bezeichnete ihn als „aufsässig“ und „gierig“. Der dritte und letzte Artikel, der in der Woche vom 8. bis 14. Januar 1993 erschien, wiederholte die Beschuldigung der Korruption.

Nur sehr parteiische Beobachter könnten dem Urteil des Vorsitzenden Richters am Obersten Gerichtshof über die hemmungslose Sprache in allen drei Artikeln widersprechen; und die Zeitung, die gegen das Urteil Berufung eingelegt hat, konnte froh sein, daß dieser Richter selbst den Grundsätzen der freien Rede verpflichtet ist, wie er in seinen einleitenden Bemerkungen bekundet hatte: „Ich möchte deutlich machen, daß ich durchaus der Meinung bin, daß die Verfassungsbestimmungen des Artikels 20 anerkannt werden müssen. Und ich akzeptiere, daß unpersönliche Kritik an öffentlichem Verhalten, wenn sie eine öffentliche Rufschädigung zur Folge hat, im allgemeinen nicht rechenschaftspflichtig sein sollte, solange keine tatsächliche Böswilligkeit im Spiel ist – selbst wenn nicht die Wahrheit aller behaupteten Fakten gesichert ist, solange die Vorwürfe in den übrigen Punkten durch tatsächlich bewiesene Fakten belegt sind.“

Aus diesem Grunde entschied der Richter zugunsten des Klägers „nur in Hinsicht auf die Behauptungen, er sei eine ,politische Prostituierte‘ und er sei ,gierig‘ in den ersten beiden Fällen und der ,Korruptionsbehauptung‘ im dritten“. Aber indem sich die Post allzu sehr auf ihr Glück verläßt, läuft sie Gefahr, zu ihrem eigenen Untergang beizutragen. Adewale Maja-Pearce

Der Autor ist Afrikaexperte bei „Index on Censorship“.