■ Das Portrait
: Der Ehrgeizige

Noch vor einem Jahr hatte alles danach ausgesehen, als müsse Ruud Lubbers nach dem Ende seiner zwölf Jahre als niederländischer Premierminister auf einen Kleinwagen umsteigen. Mit dem Spruch „Ach Ruud, es gibt noch soviel, worauf man sich freuen kann“ warb eine französische Autofirma in ganzseitigen Anzeigen für ihr neuestes Modell – just einen Tag, nachdem Lubbers' Bewerbung um die Nachfolge von EU-Kommissionspräsident Jacques Delors abgeschmettert worden war.

Gescheitert war er vor allem am Widerstand von Bundeskanzler Helmut Kohl. Der nahm dem Expremier des Nachbarstaates seine Skepsis gegenüber der deutschen Vereinigung sowie die lautstarke Kritik an Frankfurt als Standort für eine europäische Zentralbank übel.

Nachdem sich jetzt aber John Major und Jacques Chirac für den 56jährigen als Nato-Generalsekretär stark gemacht hatten, beeilte sich auch Kohl gestern seine Unterstützung zu versichern.

Der christlich-demokratische Industriellensohn aus Rotterdam gilt als Meister des Kompromisses. Über zwölf Jahre regierte er in Den Haag mit den unterschiedlichsten Koalitionen, die letzten fünf in einer großen Koalition mit den Sozialdemokraten. Lubbers erwies sich als Genie in Sachen Konfliktvermeidung. Seine Fähigkeit zum Lancieren dürfte ihn auch für den Nato-Posten prädestinieren. Zu Hause sagt man ihm nach, mit Maggie Thatcher ebenso plaudern zu können wie mit Atomkraftgegnern.

Soll neuer Nato-Chef werden: Ruud Lubbers Foto: Reuter

Richtig unbeliebt machte sich der populäre Premier – der immer auch auf einen guten Draht zur Königin bedacht war – in den Niederlanden erst 1993, als er den Wohlfahrtsstaat Niederlande als „krank“ bezeichnete. Wenig später, inmitten drastischer Kürzungen der Sozialetats, kündigte Lubbers seinen Rücktritt an. Seiner Partei tat er damit keinen Gefallen: Seine christdemokratische CDA verlor 1994 bei den Parlamentswahlen 20 ihrer 54 Mandate.

Das war nun schlecht für die Partei, aber schmeichelhaft für Lubbers – prompt kündigte er noch am Wahlabend seine Kandidatur für das Amt des EU-Kommissionspräsidenten an. Damals attestierte ihm auch die Amsterdamer Zeitung Net Paroolein „Übermaß an persönlicher Ambition.“ Lubbers und die niederländische Regierung haben daraus gelernt: Zu seiner Karriere als Nato-Generalsekretär fehlt wohl nur noch die offizielle Kandidatur. Jeannette Goddar