Protest der Anwälte

■ Verteidiger in ägyptischem Militärverfahren legen Mandate nieder

Kairo (taz) – Die 49 vor einem ägyptischen Militärgericht stehenden angeblichen Muslimbrüder müssen auf ihre Wahlverteidiger verzichten. Aus Protest gegen die Prozeßbedingungen legten die 66 Vertreter des Verteidigungskomitees am Montag geschlossen ihre Mandate nieder. Die Angeklagten, die beschuldigt werden, eine Geheimorganisation mit verfassungsfeindlichen Zielen gegründet zu haben, werden nun voraussichtlich von Pflichtverteidigern vertreten.

Die Anwälte protestieren mit ihrem Schritt gegen das ihrer Meinung nach „politische Verfahren“. Besonders umstritten ist, daß sich die zivilen Angeklagten vor einem Militärgericht verantworten müssen. „Das Gericht hat keinem einzigen unserer Anträge stattgegeben“, erklärte der Sprecher der Verteidiger, Salim Awa, gestern gegenüber der taz. So habe die Verteidigung gefordert, mehrere Vertreter des Geheimdienstes, die als Zeugen aufgetreten waren, erneut ins Kreuzverhör zu nehmen. Der Antrag wurde abgelehnt. Auch der Wunsch, 146 als Beweismittel angeführte Computerdisketten einzusehen, wurde ignoriert. Selbst der Forderung, den Angeklagten im Gefängnis die Anklageschrift zukommen zu lassen, wurde nicht stattgegeben. Den Verteidigern war es nicht einmal möglich, ihre Mandanten zu besuchen.

Die Niederlegung der Mandate kam nicht unerwartet. Schon bei der Zusammenstellung des Verteidigungskomitees debattierten die Anwälte, ob eine Teilnahme an einem „illegitimen Prozeß“ diesem nicht die gewünschte Legitimität verleihe.

Inhaltlich nahm das Verfahren zeitweise fast komische Züge an. Wichtigstes Beweismittel ist ein Videoband. Einige der Angeklagten wurden gefilmt, als sie sich zu einem Treffen im zentralen Büro der Muslimbrüder in Kairo zusammenfanden. Das 10minütige Band zeigt, wie die Angeklagten das Haus betreten, das inmitten eines Marktes im Zentrum Kairos liegt. In den ersten Minuten ist nur der Markt zu sehen sowie ein Händler, der gemütlich eine Zigarette raucht. Die Verteidiger verspotteten den Streifen als „Dokumentarfilm über Obst und Gemüse“.

Nach dem Rückzug der Verteidigung muß das Gericht Zwangsverteidiger bestimmen. Der Vorsitzende Richter ließ nun auch die 22 Angeklagten, die sich auf freiem Fuß befanden, in Haft nehmen. 16 der Angeklagten waren Kandidaten, die für die Parlamentswahlen am 29. November angemeldet sind. Ihr Antrag auf Freilassung, um am Wahlkampf teilzunehmen, wurde abgelehnt. Aus Protest zogen sie ihre Kandidatur zurück.

Die Muslimbrüderschaft sieht das Verfahren als einen Versuch der Regierung, ihre Organisation vor den Wahlen zu kriminalisieren. Allein in den letzten Wochen wurden 82 Muslimbrüder in zwei Verfahren dem Militärgericht übergeben. Weitere 100 werden von der Staatsanwaltschaft gegenwärtig bearbeitet. Karim El-Gawhary