Wahlkampf ohne viel Euphorie

■ Mit den ersten demokratischen Kommunalwahlen dringt der politische Wandel in Südafrika weiter an die Basis vor

Johannesburg (taz) – Südafrika geht heute einen weiteren Schritt in Richtung Demokratie: Zum ersten Mal in der Geschichte des Landes dürfen alle Teile der Bevölkerung ihre Kommunalverwaltungen wählen. Bei den ersten freien Wahlen im April vergangenen Jahres hatten nur das nationale Parlament und die neun Provinzparlamente zur Abstimmung gestanden. War der Wahlkampf im vergangenen Jahr von politischer Gewalt und Bombenattentaten der rechtsextremen Weißen überschattet, verlief er jetzt weitestgehend ruhig. Entsprechend weniger euphorisch ist auch die Stimmung in der Bevölkerung.

Dabei bedeuten die Kommunalwahlen vor allem in den ländlichen Gebieten einen tiefgreifenden Wandel: In vielen Gemeinden gibt es bislang überhaupt keine funktionierenden Verwaltungen – oder aber sie sind noch rein Weiß dominiert. In den meisten größeren Kommunen wurden nach den letzten Wahlen Übergangsräte aus Schwarzen und Weißen eingesetzt, die aber nur sehr begrenzte Kompetenzen haben. Nur sehr stockend setzt sich daher das Versprechen Präsident Nelson Mandelas, die Lebensbedingungen der Menschen zu verbessern, an der Basis um. Infrastrukturmaßnahmen wie Wohnungsbau, Elektrifizierung und Wasserversorgung scheitern in vielen Gegenden Südafrikas bislang am Fehlen lokaler Institutionen. Selbst bereits bewilligte Gelder werden oft nicht abgerufen. Das, so hofft die Regierung, wird nach der Kommunalwahl besser werden.

Doch die Wahl hat Schönheitsfehler. Monatelang wurde in vielen Teilen des Landes erbittert um den Neuzuschnitt der Gemeinden gestritten. Ziel des mehrheitlich regierenden Afrikanischen Nationalkongresses (ANC) ist es, durch die Zusammenlegung von reichen weißen Gemeinden und armen schwarzen Townships einen Steuertransfer zu veranlassen, mit dem der Wiederaufbau finanziert werden soll. Auch die Festlegung der Wahlkreise hing von dieser Gebietsreform ab, und je nach Zuschnitt können sich die Wahlergebnisse erheblich verändern.

Im Großraum Johannesburg etwa konnte nur vor Gericht eine Entscheidung zwischen den zerstrittenen Parteien erzielt werden. In anderen Teilen des Landes, etwa in der Krisenprovinz Kwa Zulu/Natal und im Großraum Kapstadt, wurde bislang gar keine Einigung gefunden. Dort und in einigen ländlichen Gebieten in anderen Provinzen wird jetzt nicht gewählt. Die Wahl muß allerdings nach einem Kabinettsbeschluß bis spätestens Ende März kommenden Jahres nachgeholt werden.

Für erhebliche Verwirrung sorgte auch die Vorschrift, daß jeder Wahlberechtigte sich an seinem Wohnort in ein Wahlregister eintragen lassen muß, um heute seine Kreuzchen machen zu dürfen. In Südafrika existiert überhaupt kein Melderecht, und bei der letzten Wahl durfte jeder an jedem beliebigen Ort seine Stimme abgeben. Die Änderung birgt Stoff für finsterste Vermutungen: Viele Schwarze sahen in der Maßnahme eine Apartheid-Schikane – und außerdem wurden Wahlhelfer dabei erwischt, seitenweise die Register gefälscht zu haben, weil sie nach der Zahl der eingetragenen Wähler bezahlt werden.

Aber immerhin: Von den rund 20 Millionen Wahlberechtigten haben sich 17,5 Millionen registrieren lassen. Knapp drei Viertel davon dürfen heute auch tatsächlich wählen, der Rest muß noch warten. Zur Wahl stehen mehr als 700 kommunale Gremien in einer komplizierten Mischung aus Direkt- und Verhältniswahl. Landesweit wird der ANC wohl ein ähnlich gutes Ergebnis erzielen wie die 62,6 Prozent bei den nationalen Wahlen.

Zwei prominente Politiker werden heute übrigens keine Stimme abgeben. Präsident Mandela und der Chef der Inkatha-Freiheitspartei, Mangosuthu Buthelezi, sind beide in Gebieten registriert, in denen nicht gewählt wird: Mandela in Kapstadt und Buthelezi in Kwa Zulu/Natal. Kordula Doerfler