„Die SPD hat nichts Neues vorgestellt“

■ Norbert Röttgen (CDU) fordert „Kinderstaatsangehörigkeit“ für Zuwandererkinder

taz: Herr Röttgen, wieso lehnen Sie die von Bundesinnenminister Kanther vorgeschlagene Kinderstaatszugehörigkeit ab, mit der eine rechtliche Gleichstellung von Zuwandererkindern angestrebt, aber nicht erreicht werden kann.

Röttgen: Der entscheidende Einwand ist für mich ein politischer: die Kinderstaatszugehörigkeit ist letztlich nicht das Mittel, um mit Hilfe des Staatsangehörigkeitsrecht die Integration zu fördern. Dieses Signal könnte deutlicher ausfallen durch die von uns vorgeschlagene Kinderstaatsangehörigkeit.

Welche Vorteile hat diese?

Mit dem Staatsangehörigkeitsrecht soll die Integration der Kinder von Ausländern, die dauerhaft hier leben, erleichtert werden. Das gilt auch für jene, von denen nur der sorgeberechtigte Elternteil dauerhaft und rechtmäßig in Deutschland ist. Wir haben das relativ weitgehend definiert. Aber es ist konsequent, weil wir an die zu erwartende soziale und familiäre Integration in Deutschland anknüpfen. Ein hier geborenes Kind wird in die deutsche Gesellschaft hineinwachsen. Diesen Prozeß wollen wir rechtlich begleiten.

Wie soll das aussehen?

Die Kinder erhalten per Geburt die deutsche Staatsangehörigkeit, neben der der Eltern. In einem späteren Lebensalter – nach unseren Vorstellungen jenseits der Volljährigkeit – müssen sich die Betroffenen zwischen der deutschen Staatsangehörigkeit und der ihrer Eltern entscheiden. Damit würde jedenfalls für eine bestimmte Zeit eine doppelte Staatsangehörigkeit bewußt toleriert.

Damit decken sich Ihre Vorstellungen weitgehend mit denen der FDP. Was sind die Unterschiede?

Die FDP geht zum Beispiel davon aus, daß die Eltern der Kinder hier geboren sein müssen. Das können wir nicht einsehen, weil die Fälle so willkürlich getrennt werden. Was machen sie mit Kindern, deren Eltern mit zwei oder drei Jahren nach Deutschland gekommen sind? Für das Kind macht das doch keinen Unterschied. Der FDP-Ansatz ist da nicht konsequent.

Was halten Sie von den Vorschlägen der SPD?

Die Diskussion hat seit Wochen ohne die SPD stattgefunden. Nun hat sie Vorschläge unterbreitet, die nicht neu sind. Der Ansatz der SPD ist ähnlich wie der der FDP zu eng gefaßt: Sie verlangen beide, daß ein Elternteil in Deutschland geboren sein muß. Das lehnen wir ab. Gleichzeitig bietet die SPD die doppelte Staatsangehörigkeit zum Nulltarif. Es kann nicht sein, daß man ohne Ende mit mehreren Staatsangehörigkeiten lebt, die sich später multiplizieren können. Die vierte Generation hat dann möglicherweise vier Pässe. Das kann nicht das Konzept sein, auch wenn so was in Einzelfällen nicht zu vermeiden ist.

Es gibt ja wohl von seiten Kanthers verfassungsrechtliche Bedenken, was die Kinderstaatsangehörigkeit angeht.

Wir glauben, daß die Kinderstaatsangehörigkeit mit der Verfassung vereinbar ist. Das Grundgesetz verbietet zwar den Entzug der Staatsangehörigkeit gegen den Willen des Betroffenen. Wir glauben aber, daß es sich in den Fällen der Kinder um einen Verlust der Staatsbürgerschaft handelt, den das Gesetz regeln kann. Denn wenn sich die Kinder nach Vollendung ihres 18. Lebensjahres für eine Staatsbürgerschaft entscheiden, ist es eine Willensentscheidung des Betroffenen. Dazu gibt es auch einen entsprechenden Beschluß des Verfassungsgerichts.

Welche Aspekte des Staatsangehörigkeitsrecht möchten Sie außerdem liberalisieren?

Die Kinderstaatsangehörigkeit ist für uns zweifellos der wichtigste Punkt. Wichtig ist uns aber auch, die Einbürgerung für hier integrierte Ausländer zu erleichtern. Hier ist es so, daß die Verleihung der Staatsangehörigkeit rechtlich nachvollzieht, was sozial schon vorliegt. Wir möchten einen Rechtsanspruch auf Einbürgerung nach zehn Jahren Aufenthalt festschreiben und damit die bisherige Frist deutlich verkürzen.

Fühlen sie sich von ihrem Parteifreund Gerster unterstützt, der sich gestern für eine Liberalisierung des Staatsbürgerschaftsrechts ausgesprochen hat?

Eindeutig. Interview: Karin Nink