■ Der alternative Nobelpreisträger Ken Saro-Wiwa ist gestern mit drei Mitstreitern in Nigeria zum Tode verurteilt worden. So unterbindet das Militärregime seinen Kampf um das ölreiche Ogani-Land im Niger-Delta gegen die Ölkonzerne
: Genickbru

Genickbruch für Ogoni-Opposition

„Abacha wird erst zufrieden sein, wenn er alles zerstört hat, was er geistig nicht fassen kann.“ So charakterisierte Literaturnobelpreisträger Wole Soyinka in der taz den Militärdiktator des westafrikanischen Landes. General Sani Abacha stellt dies gerade unter Beweis. Gestern wurde der Schriftsteller Ken Saro-Wiwa von einem eigens eingerichteten Sondertribunal zusammen mit drei Mitstreitern zum Tode verurteilt. Bereits am Montag war über fünf Ogoni- Oppositionelle das Todesurteil verhängt worden.

Saro-Wiwa ist der wohl beliebteste Schriftsteller Nigerias und zugleich der bekannteste Vertreter der im Niger-Delta ansässigen Ogoni. Dort kämpfen seit Anfang 1993 die 500.000 Angehörigen dieses Volkes gegen die Zerstörung ihrer Lebensgrundlagen durch die Ölkonzerne, allen voran Shell. Dicht an dicht stehen im Delta Bohrtürme und Raffinerien, Pipelines durchziehen das Ackerland. Des „Genozids an meinem Volk“ bezichtigte der Träger des alternativen Nobelpreises die Ölkonzerne. „Ihre Öllachen verpesten den Boden, die Gasabfackelungsanlagen verbreiten Ruß und giftigen sauren Regen, der unsere Ernten vernichtet“, schrieb er in der Londoner Times.

Von dem Reichtum aus der Ölförderung, die mit geschätzten zehn Milliarden US-Dollar jährlich mindestens 80 Prozent der Regierungseinnahmen ausmacht, sehen die Delta-Bewohner nichts. „In der Region, die ebenso dicht besiedelt und ebenso reich ist wie Kuwait, gibt es keine Wasserleitungen, keine Elektrizität, nur wenige Straßen, schlecht ausgestattete Schulen und Krankenhäuser, keinerlei Industrie.“ Zahlreiche Ogoni leben wie Flüchtlinge in Camps neben den Ölanlagen.

Saro-Wiwa nutzte sein Prestige, um für die Rechte der Ogoni zu kämpfen. Mit der von ihm gegründeten „Bewegung für das Überleben der Ogoni“ (Mosop) versuchte er mit Erfolg, das Vorgehen der Ölkonzerne international bekannt zu machen. Obwohl Mosop den politischen Kampf gegen das Regime hintan stellte, war die Bewegung den Militärs, die von den Öleinnahmen abhängen, ein Dorn im Auge.

Eine staatliche Todesschwadron, die Internal Security Task Force, die die Einrichtungen der Ölkonzerne gegen Besetzung oder Sabotage schützen soll, ist verantwortlich für willkürliche Erschießungen, Massenverhaftungen und die Zerstörung von ganzen Dörfern. „Seit Juli 1993“, schrieb Saro- Wiwa im Sommer letzten Jahres, „haben die nigerianischen Sicherheitskräfte über ein Viertel unserer Dörfer zerstört, über 1.200 Menschen umgebracht, viele weitere verletzt und fast 100.000 Ogoni-Bürger zu Flüchtlingen gemacht.“ Inzwischen sollen mindestens 2.000 Ogoni Opfer der Militärs geworden sein.

Der Konflikt eskalierte im April 1994, als die Regierung des Bundesstaates Rivers State die Militärpräsenz weiter aufstockte und die Einrichtung von Sondergerichten ankündigte. Im Mai 1994 hatten die Militärs Saro-Wiwa und 30 seiner Mitstreiter verhaftet. Die später nachgereichte Anklage lautete auf Mord.

Am 21. Mai waren bei einem mysteriösen Attentat vier Ogoni- Führer ums Leben gekommen, die vom Regime als genehme Alternative zu Saro-Wiwas Mosop gefördert worden waren. Saro-Wiwa und die anderen Angeklagten haben stets ihre Unschuld an den Attentaten erklärt und das Militärregime für die Morde verantwortlich gemacht. Die Ermordung der vier diente als Vorwand für neue brutale Angriffe des Militärs gegen Ogoni-Dörfer. Menschenrechtsorganisationen berichteten von zahlreichen Hinrichtungen, Vergewaltigungen und von geplünderten und abgebrannten Siedlungen.

Vermutlich haben die internationalen Solidaritätsbekundungen für Ken Saro-Wiwa – neben Menschenrechtsorganisationen wie amnesty international und Human Rights Watch Africa unter anderem auch durch den ehemaligen US-Präsidentschaftsanwärter Jesse Jackson oder die britische Schauspielerin und Parlamentarierin Glenda Jackson – die Militärs noch mehr gegen den populären Schriftsteller aufgebracht. Zudem scheinen sie zu befürchten, daß der Widerstand der Ogoni sich in eine landesweite Oppositionsbewegung ausweitet.

Das von den Militärs in der Delta-Stadt Port Harcourt eingerichtete Sondergericht gegen Saro- Wiwa und seine Mitstreiter ist „weder unabhängig noch unparteiisch“, schreibt amnesty in einem Bericht über das Verfahren. General Sani Abacha benannte die Richter höchstpersönlich. Offenbar wurden Verteidiger beziehungsweise ihre Verwandten von Militärs bedroht. Saro-Wiwas Anwälte legten im vergangenen Juni unter Protest gegen das unfaire Verfahren ihr Mandat nieder. Kontaktsperre, lange Inhaftierungen ohne Anklage und sogar Folter und schwere Mißhandlungen der Gefangenen begleiteten laut amnesty international das Verfahren. Nach Informationen der Gesellschaft für bedrohte Völker gaben zwei Zeugen der Anklage zu, bestochen worden zu sein. Eine Revisionsmöglichkeit gegen das Urteil besteht nicht.

„Wir alle müssen vor der Geschichte bestehen“, begann Saro- Wiwa seine abschließende Erklärung vor dem Sondergericht. Er rief darin das Volk der Ogoni und die anderen Unterdrückten in Nigeria auf, sich zu erheben und friedlich für ihre Rechte zu kämpfen. „Ob sich die friedlichen Methoden, die ich bevorzuge, durchsetzen werden, hängt davon ab, was der Unterdrücker beschließt.“ Nicola Liebert