Gut gelaunt zur neuen atomaren Abschreckung

■ Schützenhilfe für Frankreich aus London: „Dear Jacques“ und „cher John“ einigen sich bei ihrem Gipfeltreffen auf nukleare militärische Zusammenarbeit

Paris (taz) – Drei Tage nach seinem dritten Atomtest im Pazifik erhielt Frankreichs Präsident Jacques Chirac mächtige Schützenhilfe aus London: Premierminister John Major bestätigte ihm beim 18. franko-britischen Gipfel am Montag seine „Unterstützung“. Zugleich beschlossen die beiden Atommächte Westeuropas, die bislang jede für sich an ihren Bomben basteln, künftig zusammenzuarbeiten, um den „europäischen Beitrag zur globalen Abschreckung“ zu stärken.

Bei ihrer Abschlußpressekonferenz erklärten „dear Jacques“ und „cher John“, sie könnten sich überhaupt keine Situation vorstellen, in der eine Bedrohung des einen Landes nicht zugleich eine Gefahr für das andere darstelle. An der Unabhängigkeit ihrer nationalen Atomkräfte freilich wollen beide nichts ändern.

Und wie schon im Juni, als Chirac seine Atomtestserie bekannt gab, war auch dieses Mal keine Rede von dem mutmaßlichen Gegner, dem die „globale Abschreckung“ gilt.

Die nukleare Zusammenarbeit stünde noch völlig am Anfang, verlautete es aus dem Umfeld des französischen Präsidenten. Berichte britischer Zeitungen, wonach schon jetzt Frankreich seine Erkenntnisse aus den Atomtests im Pazifik an das Atomforschungszentrum im britischen Aldermaston weitergebe, bestätigte der Elysee-Palast nicht. Für die künftige militärische Zusammenarbeit, zu der auch eine franko-britische „Europäische Luftgruppe“ (GAE) gehört, die Chirac und Major gestern in High-Wycombe einweihten, seien die Truppeneinsätze in Bosnien wegweisend. Dort hätten sich die Notwendigkeiten und Möglichkeiten militärischer Zusammarbeit erwiesen.

Gut gelaunt priesen die beiden Chefs die Stimmung zwischen ihren Ländern. Kein einziges Thema sei umstritten, behauptete Chirac, der ehrlicherweise hinzufügte, daß die Agrarpolitik nicht Gegenstand der Gespräche war.

Von den massiven Protesten britischer Atomgegner gegen den französischen Präsidenten – sowohl am Landsitz des britischen Premierministers in Chequers, wo Chirac traditionsgemäß ein Bäumchen pflanzte, als auch vor dem Foreign Office – war selbstverständlich keine Rede. Neben der militärischen Zusammenarbeit näherten sich Paris und London auch auf dem Gebiet der Terrorismusbekämpfung an.

Major, dessen Land in Frankreich des öfteren bezichtigt wird, radikalen Islamisten Asyl zu gewähren, sicherte Chirac „jede mögliche Unterstützung“ gegen die Attentatswelle zu.

Überhaupt keine Annäherung hingegen gab es bei dem euphorischen franko-britischen Gipfel auf dem Gebiet der Europapolitik. Dort bestünden die unterschiedlichen Vorstellungen unverändert weiter, bestätigte Chirac. Für Bonn habe die Annäherung Frankreichs an London keine Konsequenzen, versicherte der französische Präsident. Die deutsch-französische Freundschaft bezeichnete er als „Teil unseres Schicksals“. Dorothea Hahn