Gordischen Knoten angeschlagen

■ Strukturelle Entscheidungen für die Kampnagelbebauung sind gefallen. Ein Kompromiß in den Streitpunkten scheint möglich zu sein Von Till Briegleb

Eines der umstrittensten Stadtentwicklungsprojekte Hamburgs kommt nach jahrelangen Auseinandersetzungen endlich einer Lösung näher: Die Randbebauung von Kampnagel, wie sie Stadtentwicklungssenator Thomas Mirow am Dienstag bei einer SPD-Veranstaltung vorstellte, steht wohl kurz vor dem Eintritt ins konkrete Planungsstadium. Die strukturellen Entscheidungen zumindest sind gefallen.

Diese sehen vor, daß das Gelände einmal 16.500 Quadratmeter Büro und Gewerbe sowie 45 bis 60 Wohnungen in einer geschlossenen Bebauung rund um die Kulturfabrik aufnehmen soll. Ein Gewerberiegel mit Wohnstaffelgeschossen, der sich längs der Jarrestraße und der Barmbeker Straße zieht und nur eine Tordurchfahrt für Kampnagel frei läßt, sowie die Wohnnutzung am Osterbekkanal verbannen den Theaterkomplex dann allerdings in die Unsichtbarkeit. Zudem will Mirow eine Tiefgarage an der Barmbeker Straße bauen lassen, obwohl die Vergiftung des Bodens der ehemaligen Stahl- und Maschinenfabrik völlig ungeklärt ist.

Als Gegenleistung für diese Vermauerung verspricht der um Interessenausgleich bemühte Mirow den Betreibern der Kulturfabrik, sich dafür einzusetzen, daß fünf Millionen Mark des Grundstückserlöses der Sanierung der Hallen zugute kommen. Letzteres ist ein überraschendes Zugeständnis, das erstmals die baulichen Sorgen der Theaterbetreiber mit einem konkreten Lösungsvorschlag ernst nimmt.

Mirow sagte, er habe einen Medienbetrieb mit starkem Interesse an den potentiellen Büroflächen an der Hand und hoffe, in Bälde einen Realisierungswettbewerb ausschreiben zu können.

Trotz des offensichtlichen Versuchs, den gordischen Knoten aus konkurrierenden Interessen zwischen Theaterleuten und Bezirksbewohnern zu durchschlagen, bleiben einige entscheidende Fragen ungeklärt. So befürchtet Kampnagel-Geschäftsführer Jack Kurfeß, daß der Bau einer Tiefgarage auf dem Gelände für die Dauer der Bauarbeiten den Theaterbetrieb unmöglich macht.

Zudem ist die Frage der fehlenden Sichtbeziehung zur Straße sicherlich nicht nur „ein Glaubenskrieg“, wie Mirow die Ängste der Betreiber verniedlicht. Niemand würde auf die Idee kommen, das Schauspielhaus oder das Rathaus zu ummauern – warum also Kampnagel, das attraktiver und nicht unauffindbar werden muß?

Aus der sicherlich berechtigten Kritik an Mirows Vorstellungen heraus hat die Kampnagelleitung nun einen eigenen Entwurf vorgelegt (siehe Bild). Dieser bringt die beinahe selben Volumen auf dem Gelände so unter, daß statt einer Tiefgarage ein Parkhaus gebaut würde und die Barmbeker Straße überwiegend frei von Bebauung wäre.

Jack Kurfeß hofft im Sinne der Lebensfähigkeit von Kampnagel, daß sich die beteiligten Behörden zu einem solchen Kompromiß durchringen können. Damit wäre dann ein beispielhafter Mischkomplex aus Kultur, Wohnen und Gewerbe realisierbar, der wohl auf keiner Seite Wunden schlüge.