„Eine bremen-kritische Tendenz“

■ Nölle gibt zu: 1997 will Bremen in Bonn nachverhandeln, doch die Chancen stehen schlecht

Es war ein Zeichen der Hoffnung: Als Bürgermeister Henning Scherf (SPD) und Finanzsenator Ulrich Nölle (CDU) nach ihrem Antrittsbesuch beim Kanzler im Fernsehstudio saßen, strahlten beide wie Honigkuchenpferde. Der Kanzler habe verstanden, daß Bremen Hilfe brauche – trotz der geflossenen Sanierungsmilliarden. Sollte heißen: Wir haben gute Chancen, wenn wir nachverhandeln müssen. Doch so sehr die Regierenden nach außen Optimismus verbreiten, nach innen schätzen sie die Lage ganz anders ein. Am Dienstag hat Nölle seine SenatskollegInnen in einer Vorlage über die Spendenbereitschaft beim Bund und bei den anderen Ländern informiert. Sein Fazit: Eine „bremen-kritische Tendenz“ sei dort „eindeutig erkennbar“. Im Klartext: Bremens Chancen auf weitere Milliarden gehen gegen Null.

Im Juni hatte Bremen seinen ersten Sanierungsbericht dem Bonner Finanzplanungsrat von Bund und Ländern vorgelegt. Auf den ersten Blick ein großer Erfolg. Das Bundesfinanzministerium bescheinigte Bremen „der Eigenbeitrag zur Sanierung ist erbracht worden.“ Allerdings: Bund und vor allem die Länder hatten einige kritische Anmerkungen. Die Bewertung der Länder: „Bremen ist nicht lebensfähig und hängt am Tropf der anderen Länder und des Bundes“.

Doch der Finanzsenator sieht eher schwarz, wenn er an 1997 denkt. Erstens: „Sanierungshilfen an Bremen entziehen dem Bund und den übrigen Ländern erhebliche Finanzmittel“, schreibt Nölle. „Die Bereitschaft, die Sanierungshilfen zusätzlich aufzustocken und damit auf eigene Mittel zu verzichten, muß als extrem gering eingeschätzt werden.“ Und bei der Senatspressekonferenz am Dienstag hat Nölle dieses Bild noch einmal verstärkt. Bremen sei nicht das einzige Land, das in einer Finanzkrise stecke, hatte Scherf gesagt. Und Nölle: Hessen und Baden-Württemberg, die beide in den Länderfinanzausgleich einzahlten und damit Bremen über Wasser hielten, seien gerade dabei, ihre Landeshaushalte drastisch zusammenzustreichen. Ergibt sich die Frage: Warum sollen die nochmal Geld nach Bremen schaufeln?

Zweitens: Bremen hatte erfolgreich beim Bundesverfasungsgericht auf Sanierungshilfen geklagt. Daß die Umsetzung des Urteils bei den Verhandlungen mit dem Bund und den Ländern aber so positiv über die Bühne gegangen sei, habe vor allem einen Grund gehabt, schreibt Nölle: Die Umbruchsituation nach der Vereinigung. Genau das, was Ex-Bürgermeister Klaus Wedemeier und Ex-Finanzsenator Volker Kröning gepredigt haben: Das Sanierungsprogramm sei eine einmalige Chance, Betonung auf ein. Das jährliche Transfervolumen in die neuen Länder habe 1992 50 Milliarden Mark betragen, referiert Nölle nun. Dabei „nahm sich das Transfervolumen für die Sanierungsländer vergleichsweise bescheiden aus und stieß damit nicht mehr auf die aus den früheren Verhandlungen gewohnte heftige Ablehnung.“ Von so einer Situation könne jetzt nicht mehr ausgegangen werden.

Nun soll Bremen sein Glück mit einer Arbeitsgruppe beim Finanzsenator versuchen: Ein Jurist, zwei Ökonomen und eine Verwaltungskraft sollen mit einem Etat von 600.000 Mark die Bedenken knacken. Ob diese Arbeitsgruppe eingerichtet wird, das entscheidet der Senat in der nächsten Woche. J.G.