■ Linsen Soufflé: Holzköpfe und Kondome in New York
Ehre, wem Ehe gebürt! Augsburger Puppenkiste goes Cinemascope! Hannelore Marshall- Oehmichen, die die Puppenkiste mit begründete und alle rund 100 benötigten Marionetten selbst herstellt, hatte zunächst Bedenken: „Ich befürchtete, daß die Holzköpfe auf der Leinwand nicht wirken, aber sie leben mehr als im Fernsehen.“ Im Pantoffelkino sind Jim Knopf und Kollegen immerhin seit 1953 präsent, da war ein Ausflug auf die große Leinwand wirklich überfällig. Der Film wird „Die Story von Monty Spinneratz“ heißen, basiert auf dem amerikanischen Kinderbuch „A Rat's Tale“ von Tor Seidler und ist „eine Fantasy- Geschichte mit Öko-Aspekt für die ganze Familie“. Helden der Handlung sind Ratten in der New Yorker Kanalisation. Doch die gemütliche Welt von Monty Spinneratz und seinen Gefährten ist bedroht, natürlich durch den Menschen. Es kommt zu pädagogisch nahrhaften Abenteuern, Monty verliebt sich in Isabella, die Tochter des Rattenministers Nobelratz, und macht sich dann daran, die Welt der Nager und die der Menschen zu retten. Hört sich nach einem großen Spaß an. Erstmals werden in der Puppenkiste auch echte Menschen auftreten, und es werden Außenaufnahmen gedreht: auf der Fifth Avenue, im Central Park und im Hafen von New York. Starten soll der Film leider erst im Frühjahr 1997. Apropos New York. Dort ist gerade Doris Dörries Komödie „Keiner liebt mich“ angelaufen. Trotzdem ist Frau Dörrie sauer, denn ihr Film hatte bei der Oscar- Vornominierung gegen Joseph Vilsmaiers Bergdrama „Schlafes Bruder“ das Nachsehen. Gesehen habe sie das Werk ihres Kollegen zwar noch nicht, trotzdem schäumt die Dörrie vor Wut und gab in Big Apple bayerisch grantelnd zu Protokoll: „Es ist immer derselbe Schmarren. Wir schaffen es einfach nicht, unsere fatale Teilung in ,Unterhaltung‘ und ,Ernst‘ beiseite zu schieben.“ Na ja, beleidigte Künstler waren auch schon mal aufregender. Keinen Grund, beleidigt zu sein, hat dagegen Hitlers Ex-Propaganda- Regisseurin Leni Riefenstahl. Die 93jährige wurde gerade in Leipzig geehrt. Unter dem Titel „Montierte Perspektive – Blick der Kamera, Standpunkt der Massen“ wurde dort erstmals ihr Gesamtwerk gezeigt. Die Leipziger wiegelten zwar ab und faselten etwas von „einer kritischen Auseinandersetzung“, keinesfalls eine Hommage. Doch was uns dazu einfällt, ist ein Zitat von Enno Patalas, dem ehemaligen Leiter des Münchner Filmmuseums. Er kenne „keine dümmere Person, was die Einschätzung des eigenen Werkes anbelangt, als Leni Riefenstahl“, hatte der nämlich bemerkt. Soviel dazu und jetzt zurück nach New York, denn die Stadt wird Schauplatz einer weiteren deutschen Produktion. Kein Geringerer als Bestseller-Comicautor Ralf König liefert die Vorlage. Nach „Der bewegte Mann“ kommt nun bald „Das Kondom des Grauens“ in die Kinos der Welt. Die bereits als Theaterstück mit lebensgroßen Puppen aufgeführte Geschichte erzählt das Schicksal des schwulen New Yorker Cops Luigi Mackeroni, der auf der Suche nach einem äußerst gefräßigen Killerkondom nicht nur seine Geduld und Reputation, sondern auch sein rechtes Ei verliert. Udo Samel wird uns den gestreßten Bullen machen, und Martin Walz übernimmt die Regie der Groteske. Der deutsche Film lebt! Karl Wegmann
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