■ Jostein Gaarders Bestseller müßte geändert werden
: Lauter Stuß in Sophies Welt

Oslo (taz) – In 3,5 Millionen Exemplaren in über 20 Ländern verbreitet ist Jostein Gaarders 1991 erschienener Bestseller „Sophies Welt“ mittlerweile, doch nur wenige Naturwissenschaftler scheinen ihn bislang gelesen zu haben. Denn, so die Physiker Olav Steinsvoll aus Oslo und Joe McGauley aus Houston: Es wimmelt von Fehlern. Hätte Gaarder die betreffenden Passagen in einer Physikprüfung im Gymnasium vertreten, wäre er in ernste Schwierigkeiten geraten.

In der neuesten Nummer der Fachzeitschrift Fra Fysikens Verden („Aus der Welt der Physik“) zerpflücken die beiden Physiker das Kapitel „Die Renaissance“ in Gaarders Buch: „Niemand erwartet wohl in diesem Buch ein Lehrbuch in Sachen Mechanik. Doch wenn der Inhalt dieses Werks, das nahezu ein Kultbuch geworden ist, in solchem Gegensatz zu dem steht, was wir als Universitätslehrer unseren Studenten über die physikalischen Grundlagen erzählen, muß dieses verwundern.“

Beispiel: der Mond. „Bei der Entstehung des Sonnensystems“, heißt es auf Seite 250 der deutschen Ausgabe, „wurde der Mond mit gewaltiger Kraft aus der Bahn – und damit von der Erde fort – geschleudert. Diese Kraft wird in alle Ewigkeit weiterwirken, denn der Mond bewegt sich ohne Widerstand durch luftleeren Raum.“ Zwei Kräfte, so wird Sophie erklärt, wirken gleichzeitig und beide Kräfte seien konstant: „Deshalb wird der Mond sich auch weiter um die Erde drehen.“

Was hier Erkenntnissen von Newton und Gallilei zugeschrieben wird, ist laut Steinsvoll und McGauley nicht nur in Wirklichkeit eine Vermischung von Theorien Aristoteles' und Newtons, sondern auch noch völlig falsch: „In Wirklichkeit wirkt – sieht man vom Einfluß der Sonne ab – nur eine Kraft auf den Mond in seiner Bahn um die Sonne: nämlich die Gravitätskraft zwischen beiden.“ Gleich mehrere rote Striche machen die beiden Physiker in diesem Renaissance-Kapitel und haben nicht einmal das ganze Buch nach Fehlern durchforstet. Was den Verlag des Bestsellers einigermaßen ins Routieren brachte. Irja Thorenfeld, Redaktionschefin beim Aschehoug-Verlag in Oslo: „Wir werden nun alles überprüfen und gegebenenfalls ändern. Es ist wohl ziemlich klar, daß es da tatsächlich Fehler gibt.“ Man habe bei der Ausarbeitung des Romans zwar philosophische Kompetenz zu Rate gezogen, aber auf eine naturwissenschaftliche Prüfung verzichtet.

Olav Steinsvoll wundert sich darüber, daß noch kein Physiker vor ihm auf das Buch reagiert hat: „Vielleicht wagte es bislang niemand, einem solchen Bestsellerautor vors Bein zu fahren.“ Reinhard Wolff