Abzocker in Uniform

■ Die Berliner Staatsanwaltschaft ermittelt gegen 95 Polizeibeamte – wegen Manipulation und Schwarzarbeit

Berlin (taz)– Wenn es um den schnöden Mammon geht, legen Berliner Polizisten ungeahnten Eifer an den Tag. Monatelang kassierten Wachleute der Direktion 4 eifrig ihr Gehalt, obwohl sie nicht arbeiteten. Sie manipulierten ihre Dienstpläne. Mittlerweile ermittelt die Staatsanwaltschaft bereits gegen 95 Polizisten.

Die Hauptvorwürfe richten sich gegen vier sogenannte Diensteinteiler und einen Hauptsachbearbeiter. Die Einteiler, zuständig für die Dienstpläne, sollen auch die Computer manipuliert haben, sagte Justizpressesprecher Reiff gestern zur taz.

Seit zwei Jahren arbeiten die Beamten der Direktion 4 mittels Computer die Dienstpläne für die insgesamt 500 Wachpolizisten aus. Fehlten einzelne Wachleute, wurden sie zunächst als abwesend geführt. Nach Schichtende löschten die Diensteinteiler diesen Eintrag wieder und wiesen ihnen ein Objekt zu, das sie angeblich bewacht hatten.

Niemandem fiel die Fälschung auf, da über Jahre hinweg kein Vorgesetzter die Eintragungen kontrollierte. Selbst die Kollegen, die tatsächlich die Objekte bewacht hatten, ahnten nichts von der Manipulation. Erst bei polizeiinternen Stichproben Anfang Oktober flog der Schwindel auf.

Während der Staatsanwalt ermittelt, beißt die Polizeispitze eisern die Zähne aufeinander. Das Schweigen wird ihnen leicht gemacht. Derzeit, wo das alte Parlament ausläuft, tagt kein Innenausschuß, der politisch Dampf machen könnte. Wolfgang Wieland, Mitglied der Bündnisgrünen in diesem Gremium, kann seinen Frust nur in einer Kleinen Anfrage an den Senat verpackt loswerden. Die neueste Affäre berge eine „hohe Qualität“, deren Ausmaß alle bisherigen Polizeiskandale „sprengt“. Für Wieland bestimmen bereits „mafiose Strukturen“ den polizeilichen Alltag.

Während unwissende Kollegen die Häuser bewachten, kachelte so mancher „Freigestellte“ seinem Diensteinteiler zu Hause das Bad. Unentgeltlich, als kleines Dankeschön für die freie Zeit. Ansonsten arbeitete man schwarz auf Baustellen oder renovierte Wohnungen. Die verdächtigten Wachpolizisten waren wohl ausnahmslos alle gelernte Handwerker. Der Schaden, den sie dem Staatshaushalt zufügten, sei noch nicht abzusehen. Justizsprecher Reiff will erste Ergebnisse bis Ende des Monats vorlegen. Noch seien nicht alle Computereintragungen überprüft worden, die Auswertungen für 1993 und 1994 stehen noch aus. Polizeiintern fürchtet man sogar noch eine Ausweitung des Skandals. Annette Rogalla