Bestürzung und Geschäft

■ Nigerias Militärjunta muß kaum Proteste befürchten

Die nigerianische Militärjunta hat erneut bewiesen, daß sie für ihre Macht bereit ist, über Leichen zu gehen. Der oppositionelle Schriftsteller Ken Saro- Wiwa und acht seiner Mitstreiter sind zum Tode verurteilt worden. Und Klaus Kinkel ist darüber „bestürzt“. Der deutsche Außenminister hat an den Juntachef Abacha appelliert, die Urteile aufzuheben. Die britische Regierung hat ähnlich beeindruckend reagiert. Ansonsten Schweigen im Walde.

Weder die Absurdität der Mordanklage noch umgefallene Kronzeugen hinderten das Militärgericht daran, dieses Exempel zu statuieren. Seine Bedeutung ist leicht nachvollziehbar: Wer sich widersetzt, ist des Todes – wenn es sein muß, vor den Augen der Weltöffentlichkeit. Bestürzung hilft da überhaupt nicht. Mit der internationalen politischen Isolation hat sich das Regime mittlerweile wohl abgefunden.

Notwendig wäre ein Wirtschaftsboykott. Vor vier Wochen, als Abacha bekannt gab, mindestens noch drei Jahre regieren zu wollen, hat die einflußreiche US-Lobby-Organisation TransAfrica gefordert, endlich ein Handelsembargo unter Einschluß der Ölexporte zu verhängen. Der Literaturnobelpreisträger Wole Soyinka setzt sich schon lange dafür ein. Die Einnahmen aus dem Erdölgeschäft sind nach Meinung vieler Nigerianer das einzige Motiv der Junta, sich noch für die Regierungsgeschäfte zu interessieren.

Und um ihre Einnahmen müssen sich die Militärs kaum sorgen. Europa übt sich nämlich nicht nur in Bestürzung, sondern auch im Handel mit der Junta. Das hochwertige, weil schwefelarme schwarze Gold fließt vornehmlich in europäische Länder. Shell (Großbritannien), Elf (Frankreich), Mobil (USA) und vor allem der Schweizer Konzern Glencore teilen sich den Löwenanteil der rund zwei Millionen Barrel Öl, die Nigeria täglich exportiert. Die großen Konzerne haben Angst um ihre Geschäfte, und vor allem Großbritannien sorgt sich um die „Stabilität“ des Landes. Da hat keiner Interesse an einem Boykott.

Die letzte Hoffnung für die Verurteilten besteht wohl nur in einem Gnadenakt der von General Sani Abacha geführten Junta. Ganz ausgeschlossen ist solch eine Wendung nicht. Die Todesurteile im Prozeß wegen eines angeblichen Putschversuches im Frühjahr wurden anschließend von höchster Stelle in langjährige Haftstrafen umgewandelt. Doch die mögliche Erleichterung über einen derartigen Gnadenakt sollte nicht das Unrecht vergessen machen, das im Gewand der Rechtsprechung daherkommt. Uwe Kerkow