„Laberfach“ in Gefahr

■ ReligionspädagogInnen befürchten, daß Bremen bald „religionsfreie Zone“ wird

Für Bastian Gene war Religionsunterricht – bzw. biblische Geschichte, wie das Fach in Bremen heißt – seit jeher „ein Laberfach“. Dem Schüler der 13. Klasse des Gymnasiums Hamburger Straße war es deshalb nur recht, daß die wenigen Pflichtstunden oft ausfielen. Die Bremer „Aktionsgemeinschaft Biblische Geschichte“ sieht das natürlich anders. Ihr Vorsitzender, Dr. Manfred Spieß, fürchtet sogar, daß Bremen demnächst „religionsfreie Zone“ werde. Auf einer Tagung in Zusammenarbeit mit der Religionspädagogischen Arbeitsstelle und dem Wissenschaftlichen Institut für Schulpraxis wurde die Zukunft des Bremer Religionsunterrichts in dieser Woche debattiert.

Während bundesweit für alle Schularten der Klassen 5 bis 10 je zwei Wochenstunden für den Religionsunterrricht bestimmt sind, erhalten Hamburger und Bremer Kids – wie auch die SchülerInnen Schleswig-Holsteins – nur eine Stunde pro Woche. In der gymnasialen Oberstufe kann in Bremen und Berlin Religion nur als Wahlfach belegt werden, während es bundesweit benotetes Pflichtfach ist.

Empörung herrscht deshalb bei den religionspädagogischen Arbeitsgemeinschaften. Referenten wie Diskussionsteilnehmer sprachen von der „Existenzbedrohung des Schulfaches Religion“, beschimpften den „Niedergang staatlicher Bildungsverantwortung“ und sorgten sich gar, zukünftig „religiöse Analphabeten“ heranzuziehen.

Die Kinder der Klasse 4a der Grundschule an der Lessingstraße hinterlassen jedoch einen anderen Eindruck. Michael-Herbert Koch, 10 Jahre alt, erinnert sich an die Geschichten über die Arche Noah, den Turmbau zu Babel oder an David gegen Goliath. Seine Mitschülerin Hanni Jana referiert stolz, daß „die Juden in der Thora lesen und in die Synagoge gehen. Ich gehe in die Moschee, und die Christen lesen die Bibel“.

Dr. Manfred Spieß von der Aktionsgemeinschaft Biblische Geschichte kritisiert, daß an den meisten Schulen die wenigen von der Bildungsbehörde genehmigten Pflichtstunden regelmäßig wegen Lehrermangels ausfallen. Einer Statistik von 1990 zufolge fanden an den Grundschulen 35 Prozent, an den Gymnasien sogar 90 Prozent dieses Unterrichts nicht statt. Und bis heute sei es nicht besser, so Spieß.

Er und seine Kollegen plädieren deshalb dafür, daß die Verantwortung für den Religionsunterricht künftig auf mehrere Schultern verteilt werden soll. Neben der Schulbehörde sollten auch Vertreter der christlichen, der jüdischen und der muslimischen Gemeinden mitbestimmen, wer Biblische Geschichte unterrichtet, in welchem Umfang und mit welchen Themenvorgaben.

Dies dürfte in Bremen allerdings kaum durchzusetzen sein, gilt hier doch seit fast 200 Jahren Religionsunterricht als „alleinige Sache des Staates“. Holger Huhne von der Religionspädagogischen Arbeitsstelle schlägt deshalb vor, mehr Druck auf die Schulleitungen auszuüben, um Religionsunterricht nicht in Randstunden zu verfrachten oder ganz ausfallen zu lassen. Außerdem hätten alle Eltern die Möglichkeit, mit rechtlichen Schritten gegen die Bildungsbehörde vorzugehen. Denn Artikel 32 der Landesverfassung erklärt Biblische Geschichte zu einem „ordentlichen Unterrichtsfach“, in der Praxis wird aber das Minimum an religiöser und ethischer Bildung nicht garantiert, könnte also auf juristischem Wege eingeklagt werden.

Henryk Schnaars, 18 Jahre alt, ficht die ganze Diskussion nicht an. Er gehört zwar zu den 12 von 150 Schülern der 13. Klasse des Gymnasiums an der Hamburger Straße, die freiwillig den Religionsunterricht besuchen. „Aber nur, weil Religion als Wahlfach immer noch das geringste Übel ist“, sagt er.

eml