Alles Westens

■ Zehn Jahre GaDeWe – die Produzentengalerie der großen und kleinen Wallungen feiert morgen Geburtstag

Zuerst: der Kuchen, dann die Kunst. Erika ist „eigentlich“ Bäckerin (Vollkorn), d.h. eigentlich Künstlerin und GaDeWe-Aktivistin, „das machen wir ja alles ehrenamtlich hier.“ Dann: das Krokodil. „Ja, es ist halt immer ein bißchen voll hier im Büro, das Krokodil gehört ja auch eigentlich Urdrü, der braucht das für sein Kabarett ...“. Nämlich: Wir befinden uns in der Galerie des Westens. Letzte Bastion (vor Grönland) aller heimatlosen Künstler, Literaten und sonstwie an der Herzensbildung anderer Menschen beteiligter Bremer. Zehn Jahre schon treibt die als Produzentengalerie getarnte Kulturfabrik ihr Wesen im Wilden Westen der Stadt. Zeit für Geburtstagskuchen, und für die Kunst.

Tom Geffken holt die Meßlatte raus. Legt sie an das kleine, hölzerne Kunststück ran. Ha! „Das sind doch mehr als 20 Zentimeter! Künstler können einfach nicht rechnen!“ 20 mal 20 Zentimeter, so war's abgemacht, größer sollten die Geburtstagskunststücke für die Geburtstagskunstschau nicht sein. 135 Kunstschaffende haben Gründervater Geffken und die restlichen zwölf GaDeWe-Aktivisten ausfindig gemacht. 135 von geschätzten 300: Soviel, sagt Erika Plamann, haben seither in dem ausgedienten Möbellager in Walle, das die GaDeWe ihre Heimstatt nennt, ihre Kunst gezeigt.

Die Kunst in den Westen zu bringen, das verstehen die furchtlosen Aktiven immer noch als echten Auftrag. Nicht nur die eigene, sondern auch Kunst aus anderer Städte Produzentengalerien. Ab und an aber öffnet die GaDeWe ihr großes Herz – dann dürfen alle ausstellen. Alle! „Wallungen“ lautete der überschäumende Titel, unter dem 1986 die Waller Hobbyaquarellmaler Seit' an Seit' mit den berufenen Künstlern ausstellen durften. Nicht nur in der GaDeWe, sondern überall: in den Waller Kneipen („Hart Backbord“), den Waller Anwaltskanzleien, im Diakonissenkrankenhaus und eben in der GaDeWe.

Solches Engagement zahlt Walle den Aktiven heim. Als Waller Galerie für Waller Künstler versteht sich die GaDeWe eigentlich zwar nicht, „Walle, das ist ja kein Qualitätskriterium“, ruft Tom Geffken aus. Das Urdrükrokodil aber, hinter ihm im Regal, lacht. Denn Walles Qualitäten haben längst die Kunst der GaDeWe-Künstler befruchtet. Wer nur einen kurzen Blick in die Geburtstagsausstellung wirft (noch eine), die die Städtische Galerie den 13 Tapferen jetzt widmet, der blickt auf Hafenkräne, Schleusen, Silos, kurz: auf eine wahre Werft an Waller Motiven.

So weht der Charme des Wildens Westens durch die Kunst und auch durch die GaDeWe selbst. Durch die stählernen Eingangstore, durchs Büro mit der liebevoll verstauten 20x20-Kunst und dem Kuchen und dem Krokodil, schließlich durch den Galerieraum mit seinem garagenhaften Flair. Nein, damit das nochmal klar ist: „Wir haben keinen stilistischen Gruppenzwang“, sagt Erika. Aber der Reiz der rauhen Schale verbindet doch so manche Attraktion der GaDeWe. Wenn z.B. Constantin Jaxy seine kohlenschwarzen Industrieruinenbilder an die Wände hängt, und dann am Abend im gleichen Saale Herr Urdrü sein „Kabarett der literarischen Gewalttätigkeiten“ gibt. Der Titel seines aktuellen Programms könnte zum Geburtstag nicht treffender formuliert sein: „Der Tod ist ein Arschloch!“ Ja: Ans Ableben denkt, trotz aller Wirr- und Hindernisse, in der GaDeWe niemand, selbst das tote Krokodil nicht. Thomas Wolff

10 Jahre GaDeWe – die Liste der Feierlichkeiten:

Freitag, 3.11., 20 Uhr: Urdrüs Kabarett in der GaDeWe (Reuterstr. 9-17)

Samstag, 4.11., 19 Uhr: Eröffnung der Ausstellung von GaDeWe-Künstlern, Städtische Galerie (Buntentorsteinweg 112); 22 Uhr: Eröffnung der Ausstellung „20x20“ in der GaDeWe

Samstag, 18.11., 20 Uhr: „Gala des Westens“, Schulzentrum Lange Reihe