Schattenhaushalt ans Licht geholt

■ Finanzsenator: 3,3 Milliarden Mark wurden am Haushalt vorbei genehmigt

Das Land Bremen schleppt über seine Verschuldung von knapp 17 Milliarden Mark hinaus Schattenhaushalte in Höhe von rund 2,7 Milliarden Mark mit sich herum. Für diese außerhalb des regulären Haushalts eingegangenen Verpflichtungen fallen zusätzlich noch Finanzierungskosten von rund 600 Millionen Mark an. Diese Summen stehen in einem internen Papier, mit dem Finanzsenator Ulrich Nölle dem Senat jetzt erstmals einen umfassenden Überblick über diese „Flucht aus dem Haushalt“ (Nölle) gegeben hat.

Schattenhaushalte sind in den vergangenen Jahren immer dann entstanden, wenn Senat und Finanzdeputation größere Investitionsvorhaben nicht aus den normalen Haushaltsmitteln, sondern auf Pump über Finanzierungsfirmen bewilligt haben. Größere Posten waren zum Beispiel der Ausbau des Flughafens (84,6 Mio), der Neubau des Containerterminals III in Bremerhaven (590 Mio), Neuanschaffungen von Straßenbahnzügen (496 Mio) und die Wohnungsbauförderung (273 Mio). Dies hatte zwar den kurzfristigen Vorteil einer Entlastung des normalen Haushalts, mittel- und langfristig führt es jedoch dazu, daß die Bremer Staatsverschuldung sogar noch schneller steigt als die offiziellen Angaben im Haushalt glauben machen.

Nölle verfolgt mit seiner Zusammenstellung denn auch das Ziel, die Bremer Schattenhaushalte künftig transparenter und vor allem kleiner zu machen. Dies ist aus rechtlichen Gründen dringend erforderlich. Schließlich verlangen sowohl Bundesgesetze als auch der Bundesrechnungshof, Finanzierungen außerhalb des Haushalts grundsätzlich auf diejenigen Fälle zu beschränken, in denen ein Schattenhaushalt erwiesenermaßen zu Kosteneinsparungen führt. Henning Scherfs Senatskanzlei lehnt dieses alleinige Kriterium jedoch ab und will auch in Zukunft bei „einzelfallbezogenen Entscheidungen“ bleiben. Der Streit soll am Montag im Senat entschieden werden.

Die Überprüfung der bestehenden Schattenhaushalte hat ergeben, „daß dabei vielfach situationsbezogene Überlegungen eine Rolle gespielt haben“, so Nölles Papier, „d.h. entsprechende Entscheidungen wurden häufig nicht – worauf an sich in erster Linie abgestellt werden müßte – auf der Grundlage von Wirtschaftlichkeitsüberlegungen getroffen“. Künftig sollten Finanzierungen außerhalb des regulären Haushalts deshalb „nur in solchen Fällen in Betracht kommen, wenn der Ressourceneinsatz nachweislich wirtschaftlicher ist“.

Insbesondere der größte aller Bremer Schattenhaushalte wäre unter dieser Voraussetzung sicher nicht zustande gekommen. Knapp 1,1 Milliarden Mark werden für die Zeit von 1992 bis 2011 außerhalb des regulären Haushalts für die Deponierung des Baggerschlicks aus den Bremer Häfen ausgegeben. Selbst Gerd Markus, Staatsrat im Häfenressort, empfindet es als „Altlast, daß diese Summe nicht im Haushalt steht“. Während in Bremerhaven der Zugang zu den Kajen weitgehend kostenlos durch die Strömung der Weser freigehalten wird, sind für das ständige Ausbaggern der Bremer Hafenbecken enorme Mittel erforderlich. Der Schattenhaushalt von einer guten Milliarde deckt nämlich lediglich die Neuanlage der Deponien für das stark verseuchte Baggergut aus der Weser. Dazu kommen noch die laufenden Kosten für die Baggerschiffe selber.

Der Schattenhaushalt ist in diesem Fall eine Überlebenshilfe durch Selbstüberlistung. Würden nämlich wirklich einmal alle offenen und versteckten Kosten für den Betrieb der Bremer Häfen zusammengerechnet, käme es womöglich sehr bald zu einem politischen Grundsatzbeschluß, alle Bremer Hafenaktivitäten nach Bremerhaven zu verlagern.

Nölles Papier belegt allerdings, daß auch der Finanzsenator selber gerne zum Mittel eines Schattenhaushalts greift, um seinen eigenen Haushalt zu entlasten. Es findet sich darin zum Beispiel das Programm „Puma“. Mit einem außerhalb des Haushalts geführten Kredit über 3,75 Millionen Mark dient „Puma“ der Einführung dezentralen Personalkostenmanagements in den Behörden. Als Refinanzierung dieses Kredits bietet das Finanzressort „Personalkosteneinsparungen“ an. Die sollten bei Rationalisierungsmaßnahmen jedoch eigentlich selbstverständlich sein und rechtfertigen keine Selbstbedienung außerhalb des vom Parlament bewilligten Haushalts.

Per Kredit finanziert Nölle sogar eine kleine Umorganisation in seinem eigenen Dienstsitz. Für die Privatisierung der Nacht- und Wochenendbewachung im Haus des Reichs hat die Finanzdeputation erst am 25. August einen Kredit über 48.000 Mark bewilligt. Dieser Mini-Schattenhaushalt sei gerechtfertigt, weil damit „eine betriebswirtschaftlich sinnvolle Maßnahme vorfinanziert“ werde, erklärte Nölle-Sprecher Thomas Diehl gestern. Geht es nach Nölle darf die Öffentlichkeit dieses Kriterium in Zukunft selbst beurteilen. Im Senat hat der Finanzsenator beantragt, alle Schattenhaushalte „künftig im Haushaltsplan mit abzudrucken“.

Ase