„Sozialpolitisch der nackte Wahnsinn“

■ Senat plant Verkauf der „Bremischen“ für die Stadtreparatur / SozialpolitikerInnen laufen Sturm

Rund 30.000 Bremer MieterInnen müssen sich Sorgen machen: Finanzsenator Nölle und Bürgermeister Scherf wollen die „Bremische“ verkaufen. So steht's in einer Vorlage, die am letzten Dienstag in den Senat gegangen ist. Aber es regt sich Widerstand. Bei der SPD und den Grünen laufen die Bau- und SozialpolitikerInnen Sturm gegen die Pläne. Der Grund: Über die Jahre hat die Stadt eine ganze Reihe von sozialpolitischen Aufgaben an die Bremische abgegeben, die wäre ein unverzichtbares Instrument. „Der Verkauf kommt für uns nicht in Frage“, sagte gestern Sozialsenatorin Christine Wischer. Und die Grüne Karoline Linnert wetterte: „Das Verkauf wäre sozialpolitisch der nackte Wahnsinn“.

Henning Scherf hatte eine Idee: Bremen müßte einen „Stadtreparaturfonds“ gründen, der die schlimmsten Schäden an öffentlichen Gebäuden beseitigen hilft. Der Vorschlag fand Eingang in die Koalitionsvereinbarung. Bis zu hundert Millionen Mark pro Jahr sollten bereitgestellt werden. Das Geld sollte „aus Vermögensveräußerungen“ kommen. Das soll nun heißen: Die Bremische, zu hundert Prozent im Eigentum der Stadt und des Landes, soll schon nächstes Jahr verhökert werden. So schnell wie möglich solle der Wert der Gesellschaft ermittelt werden, doch das Gutachten ist letzlich nur Kosmetik. Der Senat solle jetzt prinzipiell dem Verkauf zustimmen.

Die Bremische ist alles andere als eine normale Wohnungsbaugesellschaft. Seit der Gründung 1951 hat sie Gesellschaft dem Staat eine ganze Reihe von Aufgaben abgenommen und billiger erledigt. Seit 1990 verwaltet sie den staatlichen Haus- und Grundbesitz. Vor zwei Jahren hat sie die Unterbringung von Zuwanderern, Asylbewerbern und Flüchtlingen übernommen. Und schließlich ist die Bremische seit Jahr und Tag Ansprechpartner Nummer eins für die Wohnungshilfe, die händeringend Wohnraum für Notstandsfälle sucht. Ein Drittel der rund 10.000 Bremische-Wohnungen sind durch das Amt belegt.

All diese Aufgaben will der Senat nun dadurch sichern, daß er den neuen Besitzer vertraglich darauf verpflichtet. Reicht nicht, finden nun die Sozial- und WohnungsbaupolitikerInnen. Am Mittwoch hat sich in der SPD-Fraktion heftiger Widerstand geregt. „Wer sowas macht, der kann nicht denken“, sagte gestern die SPD-Sozialpolitikerin Elke Steinhöfel. „Ich werde dem nie meine Zustimmung geben.“ Der Verkauf komme Bremen teuer zu stehen. Erstens müßten die übertragenen Aufgaben wieder vom Staat übernommen werden. Zweitens fallen schon bald viele Sozialwohnungen aus der Sozialbindung. Private VermieterInnen ohne politische Steuerung im Hintergrund können die Miete kräftig anheben, und das ginge voll zu Lasten des Sozialhilfeetats. Und drittens besteht das größte Einsparpotential im Sozialetat darin, den rund 1.000 BremerInnen, die in teuren betreuten Einrichtungen wohnen, billigere eigene Wohnungen zu geben. Ohne eigene Baugesellschaft könne man die Sparidee vergessen. Linnert: „Ein dummer, sozialpolitisch ignoranter Vorschlag.“

Allerdings der einzige, der bislang für die Finanzierung des Reparaturfonds gemacht worden ist. Und der ist schon vor seiner Existenz hoffnungslos überbucht: 400 Millionen sind für vier Jahre geplant, über eine Milliarde wollen die Ressorts gerne haben.

Die Bremische selbst konnte gestern nichts zu dem Vorschlag sagen. Die hat bislang noch niemand informiert. J.G.