■ Ein neues Staatsangehörigkeitsrecht hat gute Chancen: Optionsrecht auf den deutschen Paß
Endlich scheint Bewegung in die Debatte um die Reform des Staatsangehörigkeitsrechts zu kommen. Nicht mal mehr künstliche Wiederbelebungsversuche scheinen die Kanthersche „Kinderstaatszugehörigkeit“ noch retten zu können. Der liberale Arbeitskreis der Union (FDP) ist politisch abgemeldet und kann sich noch nicht mal an den Entwurf der eigenen Bundesausländerbeauftragten Schmalz-Jacobsen erinnern. Diese Lücke haben die Jung-Abgeordneten Altmaier, von Klaeden und Röttgen (alle CDU!) geschickt genutzt, um die Diskussion voranzutreiben.
Es scheint eine Chance zu geben für ein neues Staatsangehörigkeitsrecht jenseits der Ideologie und diesseits der real existierenden multikulturellen Gesellschaft Bundesrepublik Deutschland. Weder ein reines ius sanguinis (Abstammungsprinzip) noch das ius soli (Territorialprinzip) der klassischen Einwanderungsgesellschaften wird das Ergebnis einer Generalüberholung des Reichs- und Staatsangehörigkeitsrechts von 1913 sein, sondern eine Mischung davon – wie in den meisten europäischen Nachbarstaaten.
Was spricht eigentlich dagegen, Kindern, die in Deutschland geboren werden, qua Geburt den Paß dieses Landes zu geben, ohne daß sie den bisherigen aufgeben müssen? Später, beispielsweise mit 25 Jahren, also ohne Druck der Eltern, könnten sie sich für eine der beiden Staatsbürgerschaften entscheiden. So wäre das Argument mit „der Multiplizierung der Staatsangehörigkeiten in weiteren Generationen“ entkräftet. Das Problem Erbrecht und Wehrdienst ist mit dem neuen türkischen Staatsangehörigkeitsrecht für türkische StaatsbürgerInnen zu deren Zufriedenheit gelöst. Andere Gruppen mit besonderen Härten, wie die Iraner, müßten durch großzügigere Härtefallregelungen in den Genuß der doppelten Staatsbürgerschaft kommen. Für die erste Generation sollte es die Doppelstaatsbürgerschaft generell geben. Ein solches Modell böte die Chance für eine gesellschaftliche Mehrheit. Nicht einzusehen vermag ich, warum die SPD darauf beharrt, daß mindestens ein Elternteil eines einzubürgernden „neuen Inländers“ hier geboren sein muß. Wenn es nach der SPD ginge, wäre ich – und mit mir die gesamte zweite Generation – noch immer im „AusländerInnenstatus“ gefangen.
Alles spricht davon, ob Italien und andere EU- Staaten die Kriterien für die Währungsunion erfüllen. Keiner fragt Deutschland, ob unser Staatsangehörigkeitsrecht auch nur hinreichend europäischen Standards genügt. Die Zeit ist reif für einen interfraktionellen Antrag im Bundestag. Cem Özdemir
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