Angeblich Bombenattentat in Lille verhindert

■ Frankreichs Polizei hat einen mutmaßlichen Drahtzieher der Anschläge verhaftet. Unruhen in den Vorstädten nach dem Tod eines Marokkaners

Paris (taz) – Wenn diesmal stimmt, was die französische Polizei verlautbart, dann hat sie gestern morgen ein Bombenattentat verhindert. Bei Razzien in mehreren Städten wurde ein angeblicher islamistischer Drahtzieher in Paris sowie ein rundes Dutzend mutmaßlicher Attentäter in Lille und Lyon verhaftet. Dabei stellte die Polizei nach eigenen Angaben die Ingredienzen für den Bau einer Bombe nach dem Muster der Gasflaschenbomben, die in diesem Sommer explodiert sind, sowie „Waffen und Dokumente“ sicher.

Gestern mittag, wenige Stunden nach den Razzien, die in der Vornacht stattgefunden hatten, gaben die Ermittler bereits bekannt, ein gewisser Boualem Bensaid – 28jährig, Student und Algerier –, der vor einigen Monaten nach Frankreich gekommen sei, stehe im Mittelpunkt der Attentate der vergangenen Monate. Der in Paris wohnhafte Mann soll seit einigen Tagen von Agenten des französischen Geheimdienstes DCRG observiert worden sein und habe sich darauf vorbereitet, eine Gruppe von mehreren Komplizen in Lille zu aktivieren. Die Lilloiser hätten – so der angeblich verhinderte Plan – am kommenden Sonntag eine Bombe auf einem dortigen Markt plazieren wollen.

Der 28jährige Student sei das Bindeglied zwischen den algerischen „bewaffneten islamischen Gruppen“ (GIA) und den verschiedenen Attentätern aus der französischen Banlieue, hieß es gestern in Paris. Auch mit Khaled Kelkal habe er Kontakt gehabt, jenem jungen Mann aus der Banlieue von Lyon, der im September nach mehrwöchiger landesweiter Fahndung von der französischen Polizei erschossen wurde. Über die übrigen Festgenommenen machten die Ermittler bis Redaktionsschluß nur vage Angaben.

Immerhin ergibt sich daraus, daß sie alle einen ähnlichen biographischen Hintergrund haben wie Kelkal: Sie sind zwischen 26 und 36 Jahre alt, algerischer Herkunft, leben in Frankreich und sind der Polizei durch „kleine und mittlere“ Delikte bekannt.

Gut drei Monate nach der ersten Bombe der inzwischen achtteiligen blutigen Attentatsserie haben die französischen Ermittler damit gestern einen Erfolg vorgewiesen. Jean-Louis Debré, Frankreichs Innenminister, der nach Kelkals Tod „das Gefühl“ äußerte, der Erschossene sei auch in die anderen Attentate des Sommers verwickelt, erklärte gestern, im Kampf gegen den Terrorismus habe eine „neue Etappe“ begonnen.

Parallel zu der Anti-Terror- Kampagne der Regierung spitzt sich das Klima in den französischen Vorstädten allnächtlich weiter zu. Nachdem am Mittwochabend ein Polizist den 26jährigen Marokkaner Djamel Benakka erschoß, schlugen anschließend Altersgenossen des getöteten einen Teil der Geschäfte des westfranzösischen Ortes Laval zu Klump. Die Polizei behauptet, in Notwehr gehandelt zu haben – immerhin hatte der Marokkaner eine Polizeiwaffe gestohlen, bevor er bei der Flucht erschossen wurde. Die näheren Umstände werden gegenwärtig untersucht.

Nächtliche Unruhen gab es auch in mehreren Pariser Vorstädten. Vor allem im Südosten der Hauptstadt zerstörten mit Stöcken und Steinen ausgerüstete Jugendliche Telefonkabinen, Wagen und Geschäfte. Dorothea Hahn