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Spiel's nochmal, Ewald

■ Humphrey Bogarts Double lebt und schauspielert in Bremerhaven – im 8. Jahr

Er ist in dem Alter, in dem man ihn nicht mehr nach dem Alter fragen darf. „Ich bin in den 5Oern“, sagt er lapidar und lächelt listig. Er will sofort über etwas anderes sprechen, über das Besondere, das bundesweit Einmalige, das sich allmählich über Bremerhaven hinaus herumspricht. Der Schauspieler Ewald Fürst hat auf der Bühne des Stadttheaters Bremerhaven etwas fertiggebracht, was vor acht Jahren niemand für möglich gehalten hätte. Am 5. September 1987 hatte Woody Allens Boulevard-Klassiker „Spiel's noch einmal, Sam“ Premiere. Seitdem steht die fröhliche Hommage an Humphrey Bogart und den Film „Casablanca“ auf dem Spielplan des Kleinen Hauses. Bisher gab es 367 ausverkaufte Vorstellungen. Ewald Fürst hat in Bremerhaven ein Kult-Stück kreiert, das manche Bremerhavener dazu treibt, sich dreißig oder sogar sechzig mal zu Fürst und Allen und Bogart ins Kleine Haus zu setzen. Liegt es an der Story um den Filmkritiker Allan Felix, einen intellektuell-brillanten Kopf, dem die Ehefrau wegläuft und der sich auf der Suche nach Ersatz so tölpelhaft anstellt, daß sogar die klugen Ratschläge seines leibhaftig auftretenden Leinwandidols Bogart („Küß sie endlich!“) nicht weiterhelfen? Oder liegt das Geheimnis dieser vorerst unendlichen Geschichte darin, daß hier ein Schauspieler die Rolle seines Lebens gefunden hat?

Ewald Fürst ist Herz und Seele und Mutter des Stücks, das er nur noch liebevoll „Sam“ nennt, als wäre es sein eigenes Kind. Zwei Stunden vor Beginn jeder Vorstellung ist er auf der Bühne, um alles so „haargenau“ einzurichten, wie er es während des zweistündigen Auftritts benötigt. Da darf kein Rasierwasserfläschchen falschrum stehen, die richtige Schallplatte muß eingepudert sein, damit er sie im richtigen Tempo aus der Hülle ziehen kann, das weiße Sofa für die vielen scheiternden Beziehungskisten wird „zentimetergenau“ auf seinen angestammten Platz gerückt.

Ewald Fürst hat das Publikum auch in der 367. Vorstellung vollkommen in der Hand. Der Beifall der 16- bis mindestens 70-jährigen ist einhellig. Vor ein paar Jahren, erzählt er, erschien eine Annonce in der Nordsee-Zeitung: „Zahle jeden Preis für eine Karte für „Sam“ zu Silvester!“ Fürst war so gerührt, daß er sich bei dem völlig verdutzten Absender meldete und ihm nach Absprache mit der Feuerwehr zwei Extra-Stühle anbot.

Wie lange er ihn noch weiterspielen will? Ewald Fürst denkt an ein bis zwei Jahre, mindestens. Die 400. Vorstellung wird am Ende dieser Spielzeit erreicht. Alle für November angekündigten Aufführungstermine sind bereits ausverkauft.

Der im österreichischen Linz aufgewachsene und am dortigen Konservatorium ausgebildete Schauspieler denkt nicht ans Weggehen. Ewald Fürst arbeitet seit 17 Jahren am Stadttheater Bremerhaven. Er hat seine Gemeinde in der Stadt. Die Wanderjahre – von Linz nach Memmingen, Würzburg, Coburg – hat er hinter sich. In Bremerhaven wünscht er sich mehr „herausfordernde Komödienrollen“ und liebäugelt mit dem Regiefach. Er schätzt seine Landsleute Schnitzler und Nestroy, den er im übrigen für den österreichischen Shakespeare hält. „Sehr giftig, aber das Gift wird immer ein bisserl in Stanniol verpackt.“

Und Fürst schwärmt wieder von Woody Allen, von dem – trotz seiner verstaubten Altherrenwitze – phantastisch gebauten Stück, von der netten Crew, mit der er jetzt zusammenarbeitet. Der Statist Werner Möschter, der als Schutzengel Bogart in Trenchcoat und Hut auftaucht und die Lippen zur Originalstimme des deutschen Synchronsprechers bewegen darf, hat als einziger neben Ewald Fürst bis zur neunten Spielzeit durchgehalten. Wer Ewald Fürst alias Woody Allen nach acht Jahren zum ersten Mal wiedergesehen hat, muß zugeben: Da hat jemand die Zeit angehalten und ist einfach nicht älter geworden. Hans Happel

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