Lernen ohne Zwang

■ „Kinderschule“ richtet neue Gruppe ein / Als „Modellschule“ akzeptiert

Die „Kinderschule“ vergrößert sich. Zwei Jahre nach der Umwandlung des von der Schulaufsicht mit Klagen überzogenen Projekts in eine staatliche Modellschule und dem Umzug vom Körnerwall ins Schulzentrum an der Lothringer Straße soll die SchülerInnenzahl im Sommer von bisher 40 auf 54 erhöht werden. Die teilen sich dann in je zwei gemischte Gruppen von fünf bis siebenjährigen bzw. acht bis zehnjährigen Kindern auf.

„Wir haben jedes Jahr viel mehr Anfragen als Plätze“, begründet Martina Sappelt, Vorstandsmitglied im Elternverein, die geplante Vergrößerung. „Außerdem gibt es Aktivitäten, die in größeren Gruppen einfach mehr Spaß machen“, ergänzt der Kinderschul-Lehrer Detlef Papke, „zum Beispiel, wenn wir beim Sport Mannschaftsspiele machen wollen.“ Immer wieder wird die einst geschmähte Kinderschule inzwischen auch von normalen staatlichen Grundschulen um die Aufnahme besonders „schwieriger“ Kinder gebeten. Ein Anliegen, dem sich das Modellprojekt nicht verschließen will. „Jedenfalls solange insgesamt die Mischung noch stimmt“, ergänzt Martina Sappelt.

Tatsächlich blühen „schwierige“ Kinder oft wieder auf, wenn sie in der Kinderschule Unterricht ohne Zwang kennenlernen. Dort bekommen sie die Chance, „erstmal ganz ohne Druck“ eigenes Interesse zu entwickeln. „Das dauert manchmal zwar eine Zeit, am Ende ist es aber noch bei allen entstanden“, weiß Detlef Papke.

Eigenverantwortung ist das erste Lernziel in der Kinderschule, erst an zweiter Stelle geht es um den Unterrichtsstoff. Der unterscheidet sich inzwischen zwar kaum noch von dem, was auch an normalen Grundschulen gelehrt wird. Anders ist allerdings das Umfeld, in dem die Kinder lernen. Die Lerngruppen sind dort mit 14 Kindern kleiner als in anderen Schulen, sie sind altersgemischt und bleiben vor allem keinem einzigen Tag lang starr zusammen. Um zehn Uhr treffen sich alle zur großen Tagesbesprechung, einmal die Woche ist „Mädchen- und Jungentag“, für Kochen, Schwimmen, Töpfern, Judo, Gartenarbeit oder Theater werden die Gruppen jeweils neu gemischt.

Auch zwischen „Schule“ und „Hort“ gibt es in der Kinderschule keine klare Trennung. Zwar wird der eine Bereich vom Bildungsressort, der andere vom Sozialressort und aus Elternbeiträgen zwischen 200 und 470 Mark finanziert, in der Praxis arbeiten die beiden „Lehrer“ jedoch mit den HortbetreuerInnen eng zusammen.

Die unterschiedliche Art des Lernens zeigt sich auch dann, wenn Kinderschul-Kinder zum fünften Schuljahr an die normalen Schulen wechseln. „Gesa hatte Schwächen in Mathe und Rechtschreibung“, sagt Regina van Düllen über ihre Tochter, die nach der Kinderschule inzwischen die Gesamtschule Mitte besucht, „aber ein Problem war das nicht für sie, denn sie hatte ja gelernt, wie sie lernt.“ Inzwischen hat Gesa den Stoff nachgeholt und ist außerdem Klassensprecherin geworden.

„Ehemalige Kinderschüler werden oft Klassensprecher“, weiß auch Martina Sappelt. Selbstverwaltung war schließlich ein Schwerpunkt in der Kinderschulzeit. Probleme hätten die Ehemaligen dafür oft, „wenn sie in der Schule nicht mehr fragen können, warum etwas getan oder nicht getan wird“. Kein Wunder also, daß sich die meisten KinderschülerInnen später in der Gesamtschule Mitte wiederfinden, die ebenfalls versucht, Kinder und Eltern möglichst weitgehend an Entscheidungen zu beteiligen. Ase

Die Kinderschule bietet jeden ersten Montag im Monat um 15 Uhr einen Info-Nachmittag für interessierte Eltern an. Telefonische Auskunft dienstags und donnerstags zwischen 11 und 15 Uhr unter 345663.