Der ANC feiert schon seinen Wahlsieg

Die Partei Nelson Mandelas hat die ersten demokratischen Kommunalwahlen in Südafrika vermutlich haushoch gewonnen. Vorauswahl von Kandidaten für die Wahrheitskommission  ■ Aus Johannesburg Kordula Doerfler

Zwei Tage nach den ersten demokratischen Kommunalwahlen zeichnet sich in Südafrika ein satter Wahlsieg des Afrikanischen Nationalkongresses (ANC) unter Präsident Nelson Mandela ab. Nach Meldungen von gestern nachmittag ist es möglich, daß die Partei diesmal sogar die Zweidrittelmehrheit erzielt hat. Bei den Parlamentswahlen im April vergangenen Jahres war sie auf 62,6 Prozent der Stimmen gekommen.

Allerdings sind diese Zahlen noch mit großer Vorsicht zu genießen, denn die Auszählung der Stimmen kommt ausgesprochen schleppend voran. So gibt es auch noch keine verläßlichen Angaben über die Wahlbeteiligung. In manchen Gebieten, wie beispielsweise in Soweto, wurde überhaupt erst gestern mit dem Zählen begonnen, weil keine Wahlhelfer vorhanden waren. In anderen Orten stockt der Prozeß, weil die Wahlhelfer am Donnerstag abend einfach nach Hause gegangen waren, anstatt wie geplant die ganze Nacht hindurch zu zählen.

Zwar waren gestern nachmittag 406 von insgesamt 696 Kommunalverwaltungen ausgezählt, allerdings nur die Zweitstimmen. Danach kam der ANC auf 67,3 Prozent. Die Nationale Partei unter dem letzten weißen Präsidenten de Klerk kam auf 23,3 Prozent (1994: 20,4), die rechte „Freiheitsfront“ unter dem General Constand Viljoen auf 5 Prozent. Die liberale Demokratische Partei spielt keine nennenswerte Rolle, ebensowenig die Inkatha-Freiheitspartei unter Mangosuthu Buthelezi. Sie hat ihre Hochburgen in Kwa Zulu/Natal. Dort wurde die Wahl verschoben, weil sich die Parteien bislang nicht auf den Zuschnitt der Wahlkreise einigen konnten.

Während die Auszählung der Wahlergebnisse auf Hochtouren lief und der ANC mit einem sichtlich bewegten Nelson Mandela in Johannesburg seinen Sieg feierte, ging eine andere Nachricht gestern nachmittag fast unter. Nach monatelangem Suchen wurde eine Vorauswahl von 40 Kandidaten für die sogenannte Wahrheitskommission veröffentlicht, die demnächst die schwierige Aufgabe haben wird, die südafrikanische Vergangenheit aufzuarbeiten. Sie soll politische Verbrechen der Apartheidzeit untersuchen und kann den Tätern unter bestimmten Bedingungen Amnestie gewähren.

Unter den Kandidaten, die jetzt öffentlich auf ihre Eignung befragt werden sollen, sind prominente Menschenrechtsanwälte, Professoren und Kirchenvertreter, darunter der bekannte Pädagoge Frank Auerbach, der ehemalige Generalsekretär des Südafrikanischen Kirchenrats Frank Chikane und der Erzbischof von Kapstadt, Desmond Tutu.

Siehe auch Kommentar Seite 10