■ Ökolumne
: Sozialverkehr Von Felix Berth

Wenn man Verkehrspolitik und Sozialpolitik verbindet, hat man ein Totschlagargument zur Hand. Höhere Benzinpreise, so klingt es dann, seien für „die Reichen“ kein Problem. Nur der „kleine Mann“ könne sich kein Auto mehr leisten, wenn der Liter Sprit fünf Mark kostet. Das Gemeine an diesem Vorwurf ist, daß er zutrifft – weshalb ich meist versuche, das Gespräch in andere Richtungen zu lenken. Bewährt haben sich folgende Ausweichmanöver: Krebstote durch verpestete Luft, gigantische Kosten des Straßenverkehrs oder – ins Positive gewendet – das Ideal von lebenswerten Straßen und Städten. Damit steht man als ökologisch korrekter Bürger da und nicht mehr wie ein Kapitalistenknecht.

Aber vielleicht sind solche Argumentationen gar nicht notwendig. Vielleicht gibt die Verknüpfung von Sozial- und Verkehrspolitik sogar mehr her als erwartet. Versuchen wir also eine Bestandsaufnahme: Wie sozial ist unsere Verkehrspolitik?

Die Frage klingt ein bißchen merkwürdig. Ist sie aber nicht, das zeigt die Statistik. Der Staat läßt sich den Verkehr einiges kosten. 53,9 Milliarden Mark stehen allein im Haushalt des Bundesverkehrsministers, ergänzt von weiteren Milliarden der Länder und Kommunen. Zum großen Teil kommt das den Autofahrern zugute, zum kleineren Teil denjenigen, die mit Bus und Bahn unterwegs sind.

Die Verbindung zur Sozialpolitik ergibt sich, wenn man sich klarmacht, daß von diesem Geld alle Benutzer des motorisierten Verkehrs profitieren: Jeder Bahnfahrer kauft sich ein Ticket, das der Staat bezuschußt. Und jeder Autofahrer finanziert mit seinen Steuern nur einen Teil der Kosten, die er verursacht – die restlichen Milliarden für Straßenbau, Luftverschmutzung und Unfälle teilen sich Staat, Krankenkassen und kommende Generationen. Nun sind Bahnpreise aber nicht (oder nur minimal) sozial gestaffelt. Und von verbilligtem Benzin für Großfamilien oder höherer Kfz-Steuer für Konzernchefs hat man auch noch nichts gehört. Also ist unsere Verkehrspolitik, um die Sprache von Norbert Blüm zu benutzen, „Sozialpolitik mit der Gießkanne“: Alle, die sich motorisiert fortbewegen, werden gleichermaßen subventioniert – egal ob sie zwei- oder zwanzigtausend Mark im Monat verdienen.

Wie ungerecht das Ergebnis ist, zeigt eine Rechnung für einen beliebigen Radfahrer. Was ihm der Staat anbietet, ist extrem billig, verglichen mit Autobahnen oder U-Bahn-Tunnels. Doch wenn unser Beispiel- Radfahrer brav Steuern zahlt, finanziert er die teuere Infrastruktur für Autos und Bahnen mit.

Nun hat diese Argumentation natürlich einen Haken. Wo liegt die Grenze? Welche Angebote sollen kostenlos sein? Sind vielleicht auch Bibliotheken und Schulen „Sozialpolitik mit der Gießkanne“? Was ist mit Studienplätzen und Kindergärten?

Als Antwort ein einfacher Vorschlag: Alle Angebote, von denen sich eine Gesellschaft einig ist, daß man niemanden davon abschrecken will, bleiben kostenlos. Für die meisten Bildungsangebote ist das schnell geklärt: Sie bleiben gratis – auch wenn ein Teil der Bevölkerung sich deren Bezahlung leisten könnte. Und bei motorisierter Mobilität ist die Antwort ebenfalls einfach. Ihre tatsächlichen Kosten müssen durch die Preise gedeckt sein. Denn motorisierte Mobilität ist kein erstrebenswertes Gut an sich. Damit erhalten wir eine Variation des Themas „Umbau des Sozialstaats“: Allmähliche Verringerung aller Verkehrssubventionen bis auf Null, um die „Verkehrspolitik mit der Gießkanne“ abzuschaffen. Und damit sich Leute mit geringem Einkommen motorisierte Mobilität leisten können, bliebe die klassische direkte Sozialpolitik. So wie es heute einkommensabhängiges Wohngeld gibt, ließe sich auch ein Mobilitätszuschuß zahlen.

Absolut systemkonform, Herr Arbeitgeberpräsident Murmann – wir warten auf Ihre Zustimmung. Und, Arbeitsminister Blüm, daß Sie den Arbeitslosen- Autozuschuß dann immer schön kürzen können, das kann ihnen doch nur recht sein, nicht wahr?