Müll her oder Gebühren hoch

Das Bremer Müllexperiment: Die kodierte Tonne senkt das Müllaufkommen – doch nun sollen die Müllgebühren steigen  ■ Aus Bremen Eva Rhode

Ein paar Nummern haben den BremerInnen einen ziemlichen Schrecken eingejagt. Nur im Notfall werfen sie den Müll noch in jenen Eimer, der für definitiv nicht mehr verwertbare Abfälle reserviert ist. Denn auf der Rückseite dieser „Restmülltonne“ steht ein Nummerncode, der bei jeder Leerung maschinell gelesen, registriert und dann später im Gesamtrechner der Bremer Entsorgungsbetriebe auf das Konto eines jeden einzelnen Haushalts verbucht wird. Je weniger Mülleimer geleert wurden, desto niedriger fallen die Gebühren aus.

Das System ist zum Jahresbeginn eingeführt worden. Ein Drittel weniger Müll mußten die Bremer Entsorger seither bei den privaten Haushalten abholen. Vor allem diejenigen profitieren von der codierten Tonne, die ihren Abfall möglichst in den gelben Sack und die braune Biotonne einsortieren. „Die 20 Basisleerungen pro Jahr reichen nur, wenn man den Müll trennt“, sagt der Sprecher der Bremer Entsorgungsbetriebe.

Das große Happy-End allerdings fällt aus. Eigentlich wollte die Stadt ihre alte Müllverbrennungsanlage aus dem Jahr 1969 noch vor der Jahrtausendwende schließen. Doch das Ersatzmodell, die „kleine Restmüllbeseitigungsanlage“ genannt, ist zu teuer für die gähnend leere Kasse des Stadtstaates. Das mußten selbst die VordenkerInnen der Bremer Müllvermeidung im ehemals grünen Umweltressort zugeben. Seitdem in Bremen die Große Koalition regiert, ist das weitreichende Konzept endgültig begraben – nur mit Ausnahme eben der codierten Tonnen.

20 Leerungen pro Jahr und Haushalt sind danach mit einer Jahresgrundgebühr gedeckt, die je nach Haushaltsgröße variiert. Der 60-Liter-Eimer eines Zweipersonenhaushaltes kostet beispielsweise 211 Mark im Jahr, der 120-Liter-Kübel der vierköpfigen Familie runde 350 Mark.

Bemerkenswert: Für die Zwei- und Dreipersonenhaushalte sanken die Gebühren mit dem neuen System sogar um rund 80 Mark im Jahr. Allerdings nur, sofern keine Extraabfuhr anfällt, die das Limit der 20 Basisleerungen überschreitet. Dann kostet die Leerung nämlich zusätzlich. Entsprechend der Tonnengrößen werden zwischen neun Mark (für das 60-Liter-Gefäß) und 28 Mark (für 240 Liter) pro Extraabfuhr fällig.

Kein Wunder, daß die Biotonne in kürzester Zeit zum Renner wurde. „Rund 26 Prozent der Haushalte haben eine. Das ist doppelt soviel wie erwartet“, lobt der Sprecher der Entsorgungswerke. Nur wenige schummeln und werfen den Hausmüll statt in die teure Tonne in den kostenlosen gelben Sack. Der ist inzwischen sowieso fast durchsichtig geworden. Die Müllwerker lassen ihn dann einfach stehen, wenn sie den verbotenen Regenschirm oder schimmeligen Restmüll darin entdecken.

Schwieriger ist da schon die Kontrolle der Biotonne. Die darf bei ihrer wöchentlichen Abfuhr nicht mal geöffnet werden: Pilzsporen und Bakterien könnten auf Müllwerker überspringen. „Hier bemerken wir Fehlwurf erst spät“, geben die EntsorgerInnen zu. „Aber viel kann das nicht sein“, sonst würden die vorgegebenen Recyclingquoten nicht erfüllt.

Das werden sie aber – und zwar so erfolgreich, daß es die Entsorgungsbetriebe nun schmerzt. Die Bremer Müllinie vermindert nämlich auch die Einnahmen. In der Müllverbrennungsanlage, die jährlich 280.000 Tonnen faßt, fehlen in diesem Jahr hochgerechnet 60.000 Tonnen Müll.

Auch die gewinnbringenden Extraleerungen von Mülleimern bleiben aus. Die BremerInnen hatten ihre gebührenträchtigen Kübel trotz größter Sommerhitze und Müllmief gnadenlos vollgestopft. Nach der Ökologie wird jetzt die Ökonomie diskutiert: Um die Mindereinnahmen in Höhe von mehreren Millionen Mark auszugleichen, droht den Bremer Haushalten im kommenden Jahr eine neunprozentige Gebührenerhöhung. Außerdem wird im Umland Müll akquiriert. Schon bald sollen die ersten Müllschiffe im Hafen festmachen. „30.000, optional bis 50.000 Tonnen Müll jährlich“ wolle der benachbarte Landkreis Nienburg auf dem Wasserweg liefern, freuen sich die Bremer Entsorger auf den Müll der Nachbarn. Die alte, nachgerüstete Müllverbrennungsanlage könnte sich nun als „wahres Juwel“ erweisen.

Neubauten wie etwa in Hamburg-Altenwerder, müssen den Müllerzeugern sehr viel höhere Betriebskosten berechnen. Die BremerInnen denken deshalb schon darüber nach, ob sie ihren Müllveteranen noch weitere dreißig Jahre in Betrieb behalten sollten.