Prostitution und Schwarzhandel in Srebrenica

■ BosnierInnen aus der ehemaligen UNO-Schutzzone erheben bei einer Pressekonferenz in Bonn schwere Vorwürfe gegen niederländische Blauhelme

Bonn (taz) – Schwere Vorwürfe gegen in der ehemaligen Schutzzone Srebrenica stationierte niederländische UN-Soldaten erhoben am Freitag in Bonn rund 20 überlebende bosnische Muslime, die seit einigen Tagen in Deutschland sind.

„Statt uns zu beschützen, haben die UN-Soldaten uns Kleider zu überhöhten Preisen verkauft“, berichtete Ekrem. Als Beleg hält der junge Mann, der nur seinen Vornamen nannte, eine alte, blaue Jogginghose und ein T-Shirt mit der Aufschrift „Royal Dutch Army“ hoch. Dafür, und für ein paar Socken, habe er an die Soldaten 360 Mark gezahlt.

Junge Mädchen seien von den Niederländern zur Prostitution überredet worden, berichtete Ekrem weiter. „Sie waren gezwungen, ihren Körper zu verkaufen – meist für zwei Zigaretten.“ Diese hätten sie später in Zucker oder Schokolade getauscht.

Auf die Frage von niederländischen Journalisten, ob die Mädchen sich angeboten oder die Soldaten sie dazu gedrängt hätten, antwortete ein erregter Bosnier: „Die Soldaten waren sehr hartnäckig. Was sollten die Mädchen machen? Wie sollten sie sich und ihre Familie ernähren?“

Eine Frau berichtet unter Tränen, wie die Serben ihren Nachbarn abgeführt und wenige Meter von ihr entfernt erschossen hätten. Sie habe angebliche UN-Soldaten herumlaufen sehen, die sich nicht für den Vorfall interessierten. Das seien aber Serben in UN-Uniform gewesen. Sie hätten die UN-Soldaten entwaffnet und ihnen ihre Uniformen weggenommen. Eine junge Frau, die ihr Gesicht verschleiert hatte, weil sie um das Leben ihrer vermißten Angehörigen fürchtet, warf den Niederländern vor, sie hätten sich auch nicht um die Menschen gekümmert, als die Serben Frauen und Männer getrennt und letztere verschleppt hätten: „Dort sind alle Männer meiner Familie geblieben.“

Männer und Frauen berichteten auch, daß die Niederländer einen Teil des Geldes einbehalten hätten, das Verwandte aus Westeuropa ihnen über die UN geschickt hätten. „Ich bin extra nach Rotterdam gefahren und habe einem UN-Soldat 5.000 Mark für meine Familie gegeben, angekommen sind aber nur 2.000“, bestätigte ein hier lebender Bosnier. Wenn UN- Soldaten Muslimen Waffen abgenommen hätten, seien sie von ihren Vorgesetzten mit 500 Mark und Sonderurlaub belohnt worden, weiß Ekrem zu berichten. Dies habe er von Dolmetschern erfahren. Ein Muslim warf den Journalisten vor: „Wie können sie für all' das von uns Beweise haben wollen? Wir hatten keine Kameras oder Fotoapparate.“

Tilman Zülch von der Gesellschaft für bedrohte Völker warf der niederländischen Armeeführung vor, sie habe für die Sicherheit ihrer rund 300 Soldaten den Mord an Tausenden von Bosniern hingenommen. Die niederländische Armeeführung und Regierung habe ihre Soldaten über den Völkermord offensichtlich nicht informiert. „Auch so ist das Verhalten der Soldaten erklärbar.“ Karin Nink