„Dann lieber ein Ende mit Schrecken“

■ Hamburger Traditionswerft Pohl + Jozwiak kämpft um Löhne und neuen Standort Von Kai von Appen

Bei der kleinen Hamburger Traditionswerft Pohl + Jozwiak (P+J) kriselt es mal wieder: „Die Oktoberlöhne sind bislang nicht gezahlt worden“, so ein P+J-Mitarbeiter. Und nicht nur das: Das Unternehmen pokert seit Monaten mit der Großwerft Blohm + Voss sowie der Stadt um einen neuen Standort, weil der Kohleschiffhafen, in dem die Werft ansässig ist, der weiteren Containerisierung des Hamburger Hafens zum Opfer fallen soll.

Bereits 1988 stand Pohl + Jozwiak, wo vornehmlich Kleinschiffe und Schlepper gebaut und repariert werden, vor dem Aus und drohte in Konkurs zu gehen. Nach einem langwierigen Kampf konnten die WerftarbeiterInnen der Stadt aber Zugeständnisse abtrotzen, so daß die Pleite verhindert und 120 Arbeitsplätze zunächst gerettet werden konnten. Als neuer Anteilseigner stieg damals der Ex-Boß der Howaldtswerke/Deutsche Werft sowie danach des Bremer „Vulkans“, Norbert Henke, ein.

Doch die „Wende“ brachte auch bei P+J den Wandel. Henke verabschiedete sich zur „Treuhand Abteilung Schiffbau“ nach Berlin und verscherbelte seine Anteile an das Werften-Duo Heinrich Rönner & Dieter Petram, die sich als Subunternehmer bei der Bremer Werft Vulkan hochgearbeitet hatten und beim Ausverkauf der DDR ordentlich verdient haben. So sollen Rönner & Petram für die Übernahme der Boizenburger Werft bei Geesthacht – einst ein blühender Betrieb mit 2000 Beschäftigten, der zu DDR-Zeiten Passagierschiffe am Fließband produzierte – mehrere hundert Millionen Mark an Subvention von der Treuhand und Boizenburg bekommen haben. Inzwischen arbeiten auf der völlig rationalisierten Werft noch 300 Leute. Insider gehen davon aus, daß der Betrieb nach Ablauf der Finanzbindung geschlossen wird.

Auch die Bremerhavener Motorenwerke sollen die beiden Werft-Newcomer von der Bundesregierung schuldenfrei für eine Mark bekommen haben – ein moderner Betrieb mit riesigem Gelände. Allein die Immobilie ist wohl das 150fache wert.

Trotz dieses Kapitals im Hintergrund werden die noch knapp 70 P+J-MitarbeiterInnen an der kurzen Leine gehalten. „Es herrscht derzeit eine Stimmung: ,Lieber ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende'“, so ein Mitarbeiter. Die Inhaber beteuern hingegen immer wieder, daß sie noch nie einen Betrieb in den Konkurs geführt hätten und dies auch bei P+J nicht Fall sein werde.

Leere Versprechungen? Die Verhandlungen mit Blohm + Voss über einen neuen Standort werden jedenfalls nicht gerade offensiv geführt. Die Großwerft möchte nämlich gerne ein mittlerweile ungenutztes Areal am Kuhwerder Hafen an die Stadt zurückgeben, für das noch ein 14jähriger Pachtvertrag läuft. Auf dem Gelände befindet sich eine moderne Schiffbauhalle. „Diese Halle könnten wir gut gebrauchen“, so P+J-Betriebsrat Rudi Christian auf Anfrage. Doch wie die taz aus Insiderkreisen erfuhr, wollen die Blohm + Voss-Bosse für das ungenutzte Gebäude weit über zwei Millionen Mark einstreichen. Zu viel für die P+J-Inhaber. Allein für den Abriß der Halle müßten Blohm + Voss bei einer Zurückgabe des Geländes an die Stadt eine knappe halbe Million berappen.

„Es spricht vieles dafür, daß man sich einigen kann“, so der Sprecher der Wirtschaftsbehörde, Wolfgang Becker. Auch Hamburg käme ein Umzug von P+J sehr gelegen, die Wirtschaftsbehörde hat deshalb finanzielle Unterstützung zugesagt. Becker: „Wenn der Kohleschiffhafen zugeschüttet wird, müßten wir für Pohl + Jozwiak eigens einen Zugang vom Köhlbrand bauen. Das ist wesentlich teurer.“

Die Unschlüssigkeit von Blohm + Voss kommt nicht von ungefähr. Denn die Hamburger Werftbosse wissen offenkundig selber nicht, auf welchen Kurs ihre Thyssen-Gesellschafter die Werft bringen werden. So steht noch immer die Stillegung des Schiffsneubaus sowie des Reparaturschiffbaus in der Elbmetropole im Raum, der dann auf die Emdener Thyssen-Nordseewerke konzentriert werden würde. Nur der mit großem technischen Know- how ausgestattete Maschinenbau soll dann in Hamburg bleiben. Für die Elbmetropole würde das bedeuten, daß Hamburg über keinerlei Kapazitäten im Reparaturschiffbau für größere Pötte mehr verfügen würde. Lediglich die Sietas-Werft am Este-Sperrwerk sowie die Tochter Norderwerft am Reiherstieg könnten noch kleinere Schiffe instand setzen.

Gegen derartige Pläne setzt sich die IG Metall mit allen Mitteln zur Wehr. In den Gewerkschaftsetagen machen derzeit Pläne die Runde, alle deutschen Werften in eine nationale Schiffbaugesellschaft zu überführen, um dem Werftenkahlschlag ein Ende zu setzen. Allein in den vergangenen zwölf Monaten haben über 3600 Werftmalocher ihren Arbeitsplatz verloren. IG-Metall-Sprecher Gunter Barnbeck: Der Reparatursektor muß als Standbein bei Blohm + Voss erhalten bleiben. Der Hafen Hamburg braucht diese Reparaturkapazität.“