Mörder Andreotti?

Italiens siebenmaliger Ministerpräsident soll Mord an kritischem Journalisten geordert haben  ■ Aus Rom Werner Raith

Zweiter schwerer Schlag gegen Giulio Andreotti: Der 76jährige siebenmalige Ministerpräsident muß neben dem vor sechs Wochen begonnenen Prozeß wegen mafioser Bandenbildung nun auch noch wegen Anstiftung zum Mord vor Gericht. Der Staatsanwalt von Perugia hat sich beim Vorermittlungsrichter gegen ein mächtiges Sperrfeuer der Verteidiger durchgesetzt, die der Anklage unter anderem Aktenfälschung vorgeworfen hatte.

Andreotti wird sich nun ab Anfang Februar wegen der Ermordung des Enthüllungsjournalisten Mino Pecorelli verteidigen müssen. Pecorelli war 1979 in Rom beim Einsteigen in sein Auto erschossen worden – wenige Tage zuvor hatte er eine Veröffentlichung über angebliche Schmiergeldzahlungen an Andreotti angekündigt, dann jedoch zurückgezogen: Gerüchte wollten wissen, daß ihm hohe Summen dafür geboten worden waren.

Daß Andreotti hinter dem Mord stecken könnte, haben Journalisten und politische Gegner des einst mächtigsten Politikers Italiens seit langem gemunkelt; gerichtsverwendungsfähig war derlei allerdings nicht – bis Anfang 1993. Da nämlich benannte der sicherlich ergiebigste und vertrauenswürdigste Aussteiger der sizilianischen Mafia, Tommaso Buscetta, Andreotti und seinen engsten Mitarbeiter Claudio Vitalone als jene, zu deren Gunsten der Mord ausgeführt worden war.

Vitalone soll den Mord über einige Freunde bei einer berühmten Bande in Rom geordert haben: der „banda della Magliana“, einer von der sizilianischen Mafia im römischen Vorort Magliana aufgebauten Filiale mit Beziehungen in höchste Kreise. Vitalone ist jetzt gemeinsam mit Andreotti angeklagt.

Die Behauptungen Buscettas wurden inzwischen auch durch weitere Mafia-Aussteiger gestützt, einige davon selbst Mitglieder der Magliana-Bande. Vor allem aber haben die Ermittler durch Abhörmaßnahmen einige brisante Bemerkungen einer Gangsterbraut mitgeschnitten, die, selbst nicht geständig, ihrem Verlobten während eines Gefängnisbesuches von Fahrten berichtet hat, die sie zusammen mit Vitalone zu den Organisatoren des Anschlags unternommen hatte – was Vitalone heftig bestreitet.

Ganz einfach wird die Beweisführung trotz alledem nicht sein – vor allem wenn sich der Gerichtshof dem jüngsten Beschluß der palermitanischen Richter anschließen sollte, die alle Aussagen von Mafia-Aussteigern in zwei Kategorien geteilt haben: Nur wer vor Gericht persönlich erscheint und in der direkten Gegenüberstellung mit den Angeklagten seine Behauptungen aufrechterhält, kann als Belastungszeuge gewertet werden; andere Aussagen werden nicht beachtet.

Andreottis Verteidiger suchen daher bereits im Vorfeld all jene zu erschüttern, die sie im Verdacht haben, solche Aussagen machen zu wollen. Mit Erfolg: Schon sind die ersten aussagewilligen Belastungszeugen abgesprungen.

Die Anklage ist trotzdem zuversichtlich – aus Sizilien, im Umfeld der dortigen Mafiaprozesse, kommen fast täglich neue Aussagen, und ein Gutteil davon betrifft auch die Sache Pecorelli. Giulio Andreotti muß sich wohl wirklich warm anziehen.