■ Mit Bahnplänen auf du und du
: Teure Sekunden

Berlin (taz) – Nicht immer ist der kürzeste Weg auch der schnellste und schon gar nicht der billigste. Das Münchener Planungsbüro Vieregg & Rössler hat dargelegt, daß ein Schienenstrang von München über Ingolstadt nach Nürnberg zwar 25 Kilometer kürzer ist als der Weg über Augsburg. Beim Einsatz von Hochgeschwindigkeitszügen bedeutet das jedoch lediglich einen Zeitvorteil von 20 Sekunden. Die Kosten für die Trasse über Ingolstadt sind jedoch unbestritten weitaus höher. Vieregg & Rössler gehen davon aus, daß der Bau mindestens 2,6 Milliarden Mark teurer würde, wenn der ICE über Ingolstadt fährt. Die Bundesregierung behauptet, es seien nur 280 Millionen. Die Münchener Planer haben die beiden Fahrten mit dem Computer simuliert. Bei der Ingolstadt-Variante kann der ICE lediglich auf 56 Kilometern eine Geschwindigkeit von 230 bis 250 Kilometern erreichen; bei der Augsburg- Strecke rast er hingegen auf 123 Kilometern. Grund dafür: Auf dem Weg über Ingolstadt gibt es viel mehr Kurven. Hinzu kommt die große Steigung an der Fränkischen Alb, die der schwere ICE nach dem Halt in Ingolstadt ohne Schwung nehmen muß. Trotz der teuren Neubaustrecke schafft er deshalb allenfalls 150 bis 160 Stundenkilometer, während er bei der Augsburg-Variante mit 229 Stundenkilometern das Ende der Steigung erreicht.

Auch die Bahnhofseinfahrten kosten bei der Streckenführung über Ingolstadt deutlich mehr Zeit, haben Vieregg & Rössler ausgerechnet. Sowohl bei München als auch bei Nürnberg muß der Zug durch relativ große Gebiete mit Geschwindigkeitsbeschränkungen von 100 Stundenkilometern. Beim Weg über Augsburg gibt es solche Langsamfahrstellen nicht.

Das Gutachten ist nicht neu. Vieregg & Rössler haben es schon 1994 im Auftrag der Bahn erstellt. Doch der paßte das Ergebnis nicht, weil es von Seiten der Bonner Geldgeber massiven Druck gab, die Ingolstadt- Trasse durchzusetzen. So verschwand das Rechenwerk in der Versenkung. Offiziell gilt deshalb weiter die Kalkulation von Ingolstadt-Fans, die gegen ihren Willen den Trassenentwurf über Augsburg ausarbeiten mußten. Sie veranschlagten beispielsweise eine Milliarde Mark für den Ausbau Olching – Augsburg und kamen zu dem Schluß, daß die Reise von München nach Augsburg danach 35 Minuten dauern würde. Schon heute jedoch schaffen die Züge die Strecke auf zwei alten, überlasteten Gleisen in 25 Minuten. aje