Beinahe-Untergang aus Fahrlässigkeit

■ Schwedische Seesicherheit kritisiert Reederei und Kapitän der Fähre „Sassnitz“

Stockholm – Ein schweres Sturm-Hochwasser hat in der Nacht zum Samstag an der Ostseeküste große Schäden angerichtet. In mehreren Küstenstädten stand das Wasser in den Straßen, auf der Ostsee drohte das deutsche Fährschiff „MS Sassnitz“ zu kentern. Trotz einer Schlagseite von 20 Grad unterrichtete der Kapitän des Schiffes nicht einmal vorsorglich die Seerettung. Karl-Erik Holmberg von der schwedischen Seesicherheitsbehörde in Malmö bewertete das Verhalten des Kapitäns als „völlig unverständlich“: „Ein klarer Fehler von Schiffsführung und Reederei.“

In Schweden spart man im Zusammenhang mit der Beinahe-Katastrophe vor Rügen nicht mit Kritik. Die beginnt damit, daß die Fähre am Freitag abend überhaupt den Hafen des südschwedischen Trelleborg verließ: Zu diesem Zeitpunkt herrschte bereits eine Windstärke von 25 m/Sek. Die Grenze war erreicht, wo unter schwedischer Flagge fahrende Fähren mit Bugklappe – wie sie die „Sassnitz“ hat – laut Empfehlung der einheimischen Seesicherheitsbehörde überhaupt nicht mehr auslaufen sollen. Doch Kapitän und Reederei der Fähre, die zur „Deutsche Fährgesellschaft Ostsee“ (DFO) gehört, war die Einhaltung des Fahrplans offenbar wichtiger, als die Sicherheit der über achtzig Passagiere.

Rühmt man einerseits bei der schwedischen Seesicherheit die Reaktionsschnelligkeit des „Sassnitz“-Kapitäns Klaus Schröder, der mit Umpumpen von Wasser in den Ballasttanks und provisorischer Befestigung der verrutschten Ladung das Schiff Stunden verspätet in den Hafen von Sassnitz brachte, macht man andererseits kein Hehl daraus, daß gerade er für die Befestigung der Ladung verantwortlich war. Zwar sollen die Eisenbahnwaggons auf der Fähre bestens verankert gewesen sein. Deren Ladung allerdings – schwere Papier- und Eisenrollen – verrutschte und brachte neun Waggons zum Kippen. Diese zerdrückten Lkws und Pkws und verursachten so das Fast-Kentern der Fähre. Reinhard Wolff