Lesbisches Blut ist nicht gefragt

Das Bayreuther Rote Kreuz erkennt in weiblichen Homosexuellen eine Risikogruppe und schließt sie vom Blutspenden aus. Dem Bayerischen Roten Kreuz ist der Fall peinlich  ■ Aus Bayreuth Manfred Otzelberger

Robert Offner ist sich keiner Schuld bewußt. „In unseren Richtlinien steht, daß Homosexuelle auszuschließen sind, weil sie zu den Aids-Risikogruppen gehören und unsichere Sexualpraktiken haben. Deshalb habe ich gehandelt. Es richtet sich nicht persönlich gegen diese Frau“, meint der stellvertretende Leiter des Bayreuther BRK- Blutspendeinstituts.

„Diese Frau“ ist Beate Müller (Name geändert). Seit sich die 28jährige Kinderpflegerin vor vier Wochen beim Bayerischen Roten Kreuz in Bayreuth als Lesbe bekannt hat, ist sie zur unerwünschten Spenderin geworden: „Über zehnmal habe ich ohne Beanstandungen weiße Blutkörperchen gespendet, jetzt soll ich auf einmal gefährlich sein.“

Anfang Oktober habe sie Offner bei der üblichen Routine-Untersuchung beiläufig erzählt, daß sie seit neun Wochen mit einer Frau zusammenlebe und sie liebe. „Daraufhin sagte er mir, es freut mich, daß sie so offen sind, aber ich kann Sie als Spenderin nicht mehr brauchen.“

Beate Müller will sich damit nicht abfinden: „Zum einen werde ich mit Huren, Geschlechtskranken und Drogensüchtigen auf eine Stufe gestellt. In meinem Blutspendepaß steht jetzt der Stempel ,Als Spenderin nicht geeignet‘. Obwohl mein Aidstest negativ ist. Wenn mich jemand damit nach einem Unfall auf der Straße findet, denkt der natürlich, daß mit mir etwas nicht in Ordnung ist und unterläßt die Erste Hilfe.“

Zum anderen sei ihr Lebensstil keineswegs ausschweifend: „Ich bin keine, die in der Gegend herumschläft. Ich habe drei Jahre sexuell abstinent gelebt und bin jetzt absolut monogam. Mit meiner Freundin praktiziere ich auch kein Sadomaso, sondern eher, wie es im Lesbenjargon heißt, Vanillesex. Bei uns fließt kein Blut.“

Die 200 Mark, die sie für zwei monatliche Spenden ihrer weißen Blutkörperchen bekommen hat, fehlen der arbeitslosen Frau jetzt. Hermann Schuster, Leiter der Aidsberatungsstelle des Diakonischen Werks in Bayreuth, hat für ihre Aussperrung kein Verständnis: „Ich habe in meiner Praxis noch nie eine HIV-positive Lesbe erlebt. Sie spielen bei den Risikogruppen keine Rolle. Da ist wohl Übereifer im Spiel gewesen.“

Anders kann sich auch der Nürnberger BRK-Institutsleiter Franz Weinauer die seltsame Entscheidung seiner oberfränkischen Kollegen nicht erklären: „Bei uns könnte diese Frau problemlos Blut spenden. Die Bestimmung, Homosexuelle auszuschließen, bezieht sich eindeutig auf Männer. Das geht schon allein aus einem Beiblatt hervor, das jeder Spender unterschreiben muß.“

Dieses Beiblatt kennen natürlich auch die Bayreuther Rotkreuz-Ärzte. Darin sind alle Risikogruppen detailliert aufgelistet, die auf keinen Fall Blut spenden dürfen: Schwule, Huren, Kunden von Huren, Bluterkranke, Geschlechtskranke, Afrikaner, Junkies, Bluter. Lesben stehen nicht auf der Liste.

Beate Müller weiß deshalb nicht mehr, ob sich die Bayreuther Ärzte nur dumm stellen oder wirklich so wenig Ahnung von der Aids-Problematik haben: „Als Mann wäre ich der ideale Blutspender: gesund, treu, in soliden Verhältnissen lebend und zwar mit einer Frau. Aber ich vermute eher eine rückständige Sexualmoral.“

Die Bayreuther Ärzte bleiben vorerst stur: „Wir haben genug andere Spender. Und Frau Müller ist nicht der erste Fall einer Lesbe, die wir abgelehnt haben. Vor Jahren gab's schon mal eine.“

Ihnen gehe es „um die Volksgesundheit und die größtmögliche Sicherheit bei den Blutkonserven.“ Immerhin: Nachdem die Lokalpresse den Fall publik gemacht hat, wälzen die Ärzte jetzt wissenschaftliche Fachliteratur, um die Gefährlichkeit von Lesben genauer einschätzen zu können. „Ich weiß gar nichts von lesbischen Sexualpraktiken, ich muß mich da kundig machen“, gibt Rotkreuz- Mediziner Offner treuherzig zu. Bei der Aidsberatung anzurufen, die alle Fachzeitschriften auswerten, kommt ihm allerdings auch nicht in den Sinn: Er akzeptiert offenbar nur Ärzte und keine Sozialpädagogen als Experten. Selbst wenn die Literaturrecherche die Lesben vom Verdacht der Aids- Gefährdung freisprechen würde, müsse Beate Müller noch lange nicht wieder zugelassen werden, meint der Bayreuther Arzt: „Eigentlich ist das Vertrauensverhältnis zerstört, weil die Spenderin anfangs verschwiegen hat, daß sie Sexualkontakte mit Homosexuellen unterhält.“

Franz Saller, Pressesprecher des Bayerischen Roten Kreuzes, ist der Fall sichtlich peinlich. Auf Anfrage hat er klargestellt: „Lesben dürfen in Bayern Blut spenden. Nichts spricht dagegen.“