Der eigentliche Architekt des Friedensprozesses

■ Schimon Peres, 73, brauchte für seine Bemühungen um Frieden in Nahost den Hardliner Rabin. Friedfertiger als dieser war der neue erste Mann Israels in der Vergangenheit nie

Israels neuer Regierungschef heißt Schimon Peres. Wenige Stunden nach dem Tod von Jitzhak Rabin ernannte das israelische Kabinett den 73jährigen Außenminister zum geschäftsführenden Ministerpräsidenten. Er muß jetzt entweder versuchen, eine neue Regierung zu bilden oder Neuwahlen ansetzen. Die nächsten regulären Parlamentswahlen wären im Oktober 1996. Unabhängig davon, welche Variante Peres wählt: Der bisherige Erzrivale Rabins wird auf absehbare Zeit dessen Nachfolge bestreiten.

Die Urteile über den Politiker der Arbeitspartei reichen von „Visionär“ bis „notorischer Lügner“. Peres hat von beidem etwas. Unzweifelhaft ist, daß auf israelischer Seite er der eigentliche Architekt des Nahost-Friedensprozesses ist. 1993 ließ er insgeheim in Norwegen mit der PLO verhandeln und griff zuletzt selbst in die Gespräche ein, bis im September des Jahres Palästinenser und Israelis das „Gaza-Jericho-Abkommen“ unterschrieben. Doch Peres allein hätte den Frieden in Israel nie durchsetzen können. Die politische „Taube“ brauchte den „Falken“ und Militär Rabin.

Dabei haftet Peres der Hauch der Friedfertigkeit nicht einmal zu Recht an. Einen großen Teil seiner Karriere hat er mit militärischen Projekten bestritten. Er wurde 1923 als Szymon Persky im weißrussischen Wischniawa geboren, emigrierte 1934 nach Palästina und schloß sich dort der militanten jüdischen Selbstschutztruppe Haganah an. Im Kriegs- und Staatsgründungsjahr 1948 war er für den Aufbau der israelischen Flotte verantwortlich.

Mit 29 Jahren avancierte er zum stellvertretenden Leiter des Verteidigungsministeriums. Peres gilt als Architekt der israelisch-französischen Militärkooperation und damit des israelisch-französisch- britischen Krieges gegen Ägypten im Jahr 1956.

1959 wurde Peres in die Knesset gewählt, 1969 erstmals Minister, sein Ressort: Einwanderungsfragen. 1973, nach dem Jom-Kippur- Krieg, ernannte ihn Ministerpräsident Rabin zum Verteidigungsminister. Nach der Machtübernahme des Likud wurde er Oppositionsführer.

Nach den Wahlen 1984 wurde er erstmals Ministerpräsident. In der ersten „nationalen Einheitsregierung“ aus Likud und Arbeitspartei war er stellvertretender Ministerpräsident, bei der zweiten Auflage der großen Koalition ab 1988 Finanziminister. Als es 1992 der Arbeitspartei gelang, den Likud in die Opposition zu drängen, machte die Partei Rabin zum Ministerpräsidenten. Peres wurde Außenminister, aus seiner Sicht „nur“ der zweite Mann. Seit gestern ist er der erste. Thomas Dreger