Kingston erhofft Gutes

Der Sieg beim Deutschland-Cup erfüllt den Eishockey- Bundestrainer mit Zuversicht  ■ Von Markus Götting

Ludek Bukac hat die Partybremse gespielt. Während draußen auf den Rängen der Stuttgarter Schleyerhalle das Volk johlte und ganz enthemmt war ob des ersten deutschen Titelgewinns beim Deutschland-Cup, begann im Presseraum des zweiten Stockwerkes der Übungsleiter des unterlegenen tschechischen Teams, den schönen Erfolg der Gastgeber ein wenig zu relativieren.

War ja ganz nett, der 2:1-Sieg der Einheimischen, und spannend überdies mit einem Tor von Daniel Nowak nach 53 Sekunden der Verlängerung, aber gewonnen hatten nicht die Deutschen, sondern die Tschechen hatten verloren. Ermattet seien seine Spieler gewesen, meinte Bukac, weil das schwere Spiel gegen die Schweden (3:0) allgemeine Schlaffheit verursacht habe, denn am Samstag abend mußten die Osteuropäer „viel mehr Schlittschuh laufen“ als die DEB-Auswahl beim 3:2 gegen die Schweiz. „Unsere schlechte Chancenauswertung“, sagte Bukac, „hing auch mit der Müdigkeit zusammen.“

Bleibt anzumerken, daß Bukac bis vor 16 Monaten selbst die deutsche Mannschaft trainiert hat. Unrecht hatte der Mann nicht, dennoch war es nur die halbe Wahrheit. Immerhin mußte der Gastgeber dreimal innerhalb von 48 Stunden wettkampfhalber aufs Eis, was nicht eben ein kräfteschonendes Intervall ist. Um so bemerkenswerter war die Konstanz, welche das Team zum Erfolg leitete. Zugegeben: Die Gruppe war die leichtere, aber das Setzverfahren hielt Franz Reindl, der Sportdirektor des Eishockeybundes, trotzdem für legitim. Wäre ja auch zu peinlich gewesen, wie im Vorjahr ohne Sieg das Turnier zu beenden. Und so schlecht seien weder die Kanadier, gegen die mit 4:2 gewonnen wurde, noch die Schweizer (3:2) gewesen. Respekt nötigten ihm die Eidgenossen ab, sagte der deutsche Coach George Kingston, und als er die Kanadier beobachtete, da habe er gedacht: „Uuuuuuhh, die sind stark.“ Auch wenn es nur eine aufgepeppte Schaustellertruppe war, schlagen muß man sie trotzdem erst mal. Und selbst das fiel den Deutschen zuletzt schwer.

Kingston wähnt sich „auf dem richtigen Weg“, immerhin hatte er noch tags zuvor gesagt, wenn er Deutschland verlasse, müsse sich das Eishockey erheblich verbessert haben. An solcherlei Ausspruch werden künftige Turniere zu messen sein. Es ist etwas in Bewegung gekommen in der Nationalmannschaft. Die Defensive war beim Sieg gegen die Tschechische Republik vergleichsweise solide, leistete sich nicht eine Strafzeit, einzig Benoit Doucet und Daniel Nowak schnarchten in der 33. Minute, als Drahomir Kadlec, der Kaufbeurer, die Tschechen in Führung brachte. Hernach allerdings funktionierte das Verursacherprinzip: Ausgleich Doucet (43.), Siegtreffer Nowak. Und der bejubelte Schütze, mit 29 Jahren ein Mann von reifem Alter, bemühte sogleich das Pathos, um seinem Treffer die nötige Würde zu verleihen. Er hoffe, ließ Nowak wissen, „daß dieser Erfolg einen Schub fürs gesamte deutsche Eishockey gibt“.

Ein Tor also nicht für die Bierkasse – die Prämie von 100.000 Mark brutto wurde unter den 26 Spielern aufgeteilt –, sondern für die eigene Existenz. Eishockeyspieler in Deutschland leben von den Einkünften in der Profiliga DEL. Und die ist derzeit wieder schwer in der Kritik. Unsolide Finanzplanung scheint bei den Klubs nicht nur das wirtschaftliche Fundament ins Bröseln geraten zu lassen, sondern Pleiten stünden bevor, sagte Jörg Hiemer, Geschäftsführer der Profigewerkschaft vde, in Münchens buntestem Nachrichtenmagazin. Schon Ende des Jahres könnten die ersten Bankrotterklärungen folgen, glaubt er, weil die Liga in ihrem Gesamtetat eine Unterdeckung von 20 Prozent zu beklagen hat. Und Pay-TV-Sender premiere hat auch schon festgestellt, daß Eishockey im Fernsehen alles andere als ein Quotenknüller ist.

Womöglich verleiht der Erfolg von Stuttgart der vormaligen Boom-Sportart tatsächlich neue Vitalität. George Kingston jedenfalls hat gesagt, der Deutschland- Cup sei eines der wichtigsten Turniere im internationalen Terminkalender. Bleibt ihm nur, das gewonnene Selbstbewußtsein ins kommende Frühjahr hinüberzuretten. Gemeinhin besitzen Weltmeisterschaften wie jene Ende April 1996 in Wien die größte Aussagekraft für den Stellenwert einer Leibesübung.