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: Talk-Gastritis

„Gastspiele“, Sonntag, 0.25 Uhr, RTL

Alles fing damit an, daß die Gäste bei Robert Lembkes „Was bin ich?“ eine „charakteristische Handbewegung“ zu vollführen hatten. Das ist Fernsehgeschichte. In Geert Müller- Gerbes' neuer Talkshow „Gastspiele“ wird den Opfern längst mehr abverlangt. Eine szenische Darbietung ist gefragt. Gesendet wird heuer late night; aufgezeichnet wurde auf der Bühne eines Bonner Boulevardtheaters. Und das Ganze nennt sich dann neudeutsch ein „neues Format“.

Dem Zuschauer geht all das am Arsch vorbei. Ob nun auf der Bühne eines Boulevardtheaters geschnattert wird oder mit Schwimmweste im Wasserwerk, ob zwischen dem Geschwätz eine künstlerische Darstellung erfolgt, oder ob Talker und Betalkter gemeinsam einen Tannenbaum schmücken – all diese Alibidifferenzierungen sind wie in der Werbung allein dazu da, einen Unterschied dort zu suggerieren, wo faktisch keiner besteht.

Dementsprechend armselig begannen Geert Müller-Gerbes' „Gastspiele“. Talkgast: Hans Clarin alias Pumuckel. Zwei alte Männer sitzen auf Stühlen und versuchen sich in gequälten Witzen. Das talkshowübliche Biographiequiz war indes so aufregend wie die Lektüre eines Blattes aus dem „Munzinger“- Archiv: „Sie sind in Frankfurt geboren?“ – „Nein, in Wilhelmshaven.“ Müller-Gerbes verbreitete ein gewisses honoriges Empfinden der eigenen Wichtigkeit, der er dadurch Ausdruck verlieh, daß er ständig weiterredete, wenn der andere etwas sagte. Talk line nennt man das wohl.

Unvermeidlich wie die Werbung kam das Generalthema: „Hängebauchschweine habe ich auch“, sagte Hans Clarin. Darauf Müller-Gerbes: „Das Wildschwein rennt ja auch schnell, heißt aber nicht Hängebauchschwein“. Und da man also – die Zotigkeit zwischendurch leicht touchierend – bei den intellektuellen Themen angelangt war, bemühte man sich schlußendlich auch noch um die Metaebene: „Wie finden Sie diese Talkshow!?“ Um nicht mißverstanden zu werden, gab sich der Frage sogleich als Hans-Meiser- Freund und -Fan zu erkennen. Und auch die Antwort erteilte sich Müller-Gerbes schließlich selbst: Die „Gastspiele“ seien „eine sehr, sehr schicke Veranstaltung“. Da fällt einem nur noch eines ein: Stop making (non)sense.Manfred Riepe