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Ausverkauf der Natur

Industrienationen wehren sich gegen verbindliche Sicherheitsbestimmungen zur Freisetzung von Gentech-Organismen  ■ Von Wolfgang Löhr

Über drei Jahre sind seit Verabschiedung der Konvention zum Schutz der biologischen Vielfalt auf dem Erdgipfel in Rio de Janeiro vergangen, und die Bundesregierung steht noch immer mit „leeren Händen“ dar. Diesen Vorwurf gab Jochen Flasbart, Präsident beim Naturschutzbund Deutschland (NABU), der Umweltministerin Angela Merkel mit auf dem Weg zur zweiten Vertragsstaatenkonferenz über die Biodiversitätskonvention. Die begann am Montag in der indonesischen Hauptstadt Jakarta und dauert noch bis zum 17. November.

Die zunehmende Naturzerstörung und die Ausrottung von immer mehr Tier- und Pflanzenarten – bis zu 1,5 Millionen Arten werden nach Schätzungen des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung in den nächsten 25 Jahren verschwinden – gaben 1992 in Rio den Anlaß zur Verabschiedung der Konvention. Ein weltweit verbindliches Regelwerk sollte erarbeitet werden, um den Schutz der biologischen Vielfalt mit der Ausnutzung und Kommerzialisierung der Natur in Einklang zu bringen.

Daß es jedoch nicht nur um die Artenerhaltung geht, zeigt die Tagesordnung der Nachfolgekonferenz in Jakarta. Neben der „Identifizierung besonders bedrohter Arten und deren Lebensräumen“ sowie notwendigen „Schutzmaßnahmen“ wird es auch um einen ungehinderten Zugriff der Industrienationen auf die weltweiten genetischen Ressourcen und um die Sicherheit beim Umgang und den Handel mit genmanipulierten Organismen gehen.

Vor wenigen Monaten noch, auf der Vorbereitungskonferenz in Madrid hatten sich die Industrieländer, allen voran die USA, Großbritannien und Deutschland, gegen die Forderung der Dritte- Welt-Staaten nach einem weltweit verbindlichen Biosafety-Protokoll gewehrt. Sie befürchteten nicht nur bürokratische Hemmnisse bei Freisetzungsversuchen mit genmanipulierten Organismen in der Dritten Welt, sie wollen für ihre patentierten Gentech-Produkte auch einen möglichst ungehinderten Zugang auf die Märkte in der Dritten Welt.

Jetzt hätten die in der OECD zusammengeschlossenen Länder ihre Strategie geändert, berichtet Isabel Meister, bei Greenpeace Schweiz zuständig für den Bereich Gentechnologie. Hatten sie sich in den Vorverhandlungen noch für freiwillige Regelungen ausgesprochen, so wollen sie jetzt in Jakarta Kompromißbereitschaft zeigen und ihren Widerstand gegen einen verbindlichen Sicherheitsstandard aufgeben. „Wieweit dieser dann gehen soll, ist jedoch offengeblieben“, meint die Greenpeace-Sprecherin. Sie vermutet, daß lediglich der grenzüberschreitende Transfer von genmanipulierten Organismen geregelt werden soll – welche staatlichen Stellen vorab informiert und vor allem welche Informationen über den Gentech-Organismus von den Forschern oder Unternehmen den Behörden zur Verfügung gestellt werden müssen.

Unter welchen Bedingungen Freisetzungexperimente durchgeführt werden, das wollen die Industrienationen offen lassen. Die Sicherheitsbewertung sollen die Empfängerländer „eigenverantwortlich“ durchführen, hieß es dazu aus dem Deutschen Bundesministerium für Umwelt. Wohl wissend, daß viele Drittwelt- Staaten nicht über das wisssenschaftliche Know-how und vor allem über die finanziellen Mittel verfügen, um entsprechende Genehmigungsprozeduren durchzuführen. Mit den im Welthandelsabkommen festgelegten Regelungen wird es dann keinem Staat möglich sein, ein Gentech-Produkt aus sozialen, ökonomischen oder kulturellen Gründen vom eigenen Markt fernzuhalten.

Ein erste Gentech-Pflanze, die ab nächstem Jahr unter anderem in Lateinamerika angebaut werden soll, wird nach Informationen von Greenpeace eine Sojapflanze des US-Chemiekonzerns Monsanto sein. Das Vorpreschen der Gentech-Industrie könne nur durch ein Freisetzungsmoratorium gebremst werden. Das zumindest so lange gelten müsse, bis ein weltweit verbindliches Biosafety-Protokoll verabschiedet ist, fordert die Greenpeace-Sprecherin Meister.

Obwohl die in Rio verabschiedete Konvention ausdrücklich die „Rechte indigener Völker und die Einbeziehung der regierungsunabhängigen Organisationen (NGO)“ anerkennt, werden die Regierungsvertreter aus über 170 Staaten an den Verhandlungstischen voraussichtlich alleine sitzen. Noch im Vorfeld war nicht geklärt, ob die NGO bei den offiziellen Sitzungen anwesend sein dürfen, berichtet Peter Herkenrath vom NABU. Auf der letzten Tagung in Nassau, Bahamas, durften die NGO- VertreterInnen nicht einmal zuhören.

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