Moderne Schamanin

■ Heute abend: Die Norwegerin Mari Boine auf Seelenfahrt zu ihren Vorfahren

Bei jedem der drei Konzerte Mari Boines in Bremen wurde ihr Publikum größer – so groß, daß zuletzt im Juli viele BesucherInnen abgewiesen werden mußten. Die drinnen waren, wurden auf eigentümliche und kompromißlose Art in den Bann gezogen, denn Mari Boine ist eine moderne Schamanin.

Mari Boine wurde 1956 in Karasjok, dem samischen Zentrum in der norwegischen Finnmark geboren. Die Samen, die sich nicht grundlos „Indianer des Nordens“ nennen, haben eine jahrtausendealte, stark vom Schamanismus geprägte Kultur. Wollten die Samen erfahren, was die Zukunft bringt, so wurden SchamanInnen zu Rate gezogen, die in der Lage waren, mit Hilfe der „Joikgesänge“ und rhythmischer Schläge auf die Zaubertrommel die Geister herbeizurufen. Im Verlaufe dieser Seancen gingen sie im Zustand äußerer Bewußtlosigkeit auf Seelenfahrt zu den Vorfahren.

Die schamanische Kultur unterlag immer wieder Verboten und wurde bis in die heutige Zeit unterdrückt. Trotz Verfolgung durch Staat und Kirche überlebte das Joiken im einsamen Lappland. Während einige Samen darin noch heute etwas Sündhaftes sehen, spielt es doch als „Kunst der Erinnerung an Menschen, Tiere und Landschaften“ eine große Rolle im Leben der NordindianerInnen.

Mari Boine ist eine Meisterin des Joikgesanges. Ihre Stücke sind entweder direkt alten Traditionen entnommen oder nach diesen Vorbildern neu komponiert. Dabei allerdings scheut sie keine Ausflüge in zeitgenössische Popmusik. „Jeder Song gleicht einer Reise mit neuem Ziel“, lobt die Süddeutsche Zeitung. Mari Boine hat nicht nur eine außergewöhnliche Stimme, sondern eine ebensolche Band: Roger Ludvigsen, ebenfalls aus Lappland, ist mit seiner Gitarre in den verschiedensten Stilrichtungen zuhause. Der wunderbar einfühlsame Perkussionist Helge Anders Norbakken hat ebenso wie Bassist Gjermund Silset am Trondheimer Konservatorium Jazz studiert. Der Bolivianer Carlos Z. Quispe spielt Flöten, Charango, Harfe und Schamanentrommel, mit Hege Rimestad stieß eine Geigerin zu der Gruppe, die ihre weiten Räume für Improvisationen gekonnt zu nutzen weiß. Als die Gruppe im Juli in Bremen auftrat, erntete sie Beifallstürme. Eine Zuschauerin: „Mari Boine könnte jede Revolution zum Sieg führen.“ dah

im Modernes, 20 Uhr