Sanssouci
: Vorschlag

■ Spoken Word: Lydia Lunch und Exene Cervenka im Sputnik

Der Punkrocker hierzulande hat nie viele Worte gemacht. Zum Hinausbrüllen der Wut taugten meist ein paar wenige Slogans. Schon über die Sprache konnte man sich kaum einigen, die meisten versuchten es in Englisch, ein paar auch auf Deutsch. Woher die gestörte Beziehung des einheimischen Alternativmusikers zum Textlichen auch immer kommen mag, sie führte dazu, daß die Worte immer ein Schattendasein führten – ein Schreiber- Modell konnte sich bislang nicht so recht durchsetzen.

In den USA war das schon immer anders. Jello Biafra beschied sich nie als Dead Kennedy, sondern schauspielerte, wurde Bürgermeisterkandidat und betrieb ein Label. Und Henry Rollins Aktivitäten neben Black Flag und seiner späteren eigenen Band sind kaum aufzuzählen. Der erste Schritt aber war meist, die Worte, die nicht in die Songform paßten, schlicht vorzutragen. Seitdem Rollins darauf gekommen ist, bombardiert er uns mit Dreifach-Spoken-Words-CDs. Etwas anders liegt die Sache bei Lydia Lunch. Die nannte schon die Ergüsse ihrer ersten Band Teenage Jesus and the Jerks „musikalische Einläufe und Exorzismen“ und hielt sich nie lange mit künstlerischen Partnern auf, ob nun mit den Devil Dogs, mit Roland S. Howard und anderen Birthday-Partygängern oder anderen. Neben Musik gab es immer den Super-8-Film, das Schreiben und das gesprochene Wort.

Vor zehn Jahren hat Lunch zusammen mit Exene Cervenka von den L.A.-Punkern X einen Gedichtband herausgebracht. Nun gehen sie zusammen auf Tour, um dem Publikum einen zu erzählen. Da fragt man sich natürlich, was denn so. „Would somebody please inform the U.S. Government that my uterus is not open to public debate“, tönt es da etwa und soll einen wohl schockieren, aber kann es das noch, wenn man bereits die mit einer Taschenlampe beleuchtete Gebärmutter von Annie Sprinkle gesehen hat? Was ist so außergewöhnlich am Courtney-Love- und Bill-Clinton-Bashing, wo das heutzutage doch Volkssport geworden ist? Was so neu an der Erkenntnis, daß Rassismus und Sexismus zu den drängendsten Problemen der Menschheit gehören? Lunch und Cervenka bemühen sich zwar um akustische Abwechslung, sind leidlich komisch und lockern mit Publikumsbeschimpfungen auf, aber leider ist nur allzu wahr, was Lunch schon selbst über ihre Performances gesagt hat: „Ich erzähle den Leuten nichts, was sie nicht schon gehört hätten.“ Thomas Winkler

Heute, 22 Uhr, Sputnik Wedding, Reinickendorfer Straße 113