Nachschlag

■ Kiffen nach Plan? „Vom Schreiben 3“ im Literaturhaus

Keine Macht den Stimulanzien. So etwas zu proklamieren fiele nicht einmal dem Bundesgesundheitsminister ein. Stimulans – das klingt nach Hausmittel, so harmlos wie Wärmflasche und Fencheltee. Stimulierend kann eine gute Zeitung sein, eine Zigarette oder auch drei. Das Wort „Sucht“ hat da nichts verloren, genausowenig wie „Delirium“ oder „Tod“. Der Titel der Ausstellung „Stimulanzien oder Wie sich zum Schreiben bringen?“ im Literaturhaus ist eine Tarnung – eine, die das Thema offensichtlich braucht. Nicht weil es mit Tabus behaftet wäre, sondern weil über rauchende, saufende, kiffende, koksende, spritzende Dichter – und darum geht es – schon so vieles gesagt ist.

Die deutsche Schillergesellschaft Marbach aber ließ sich nicht schrecken und näherte sich nach „Das weiße Blatt oder Wie anfangen?“ (September 1994) und „Der Gänsekiel oder Womit schreiben?“ (Januar 1995) diesem dritten Thema des „Vom Schreiben“-Projekts wie ein Musterschüler, der sich im Jahr einmal mit Limonade betrinkt. Unbekümmert und fleißig wie gewohnt, aber ohne die Verzweiflung auszuloten, wie sie etwa der morphiumabhängige Klaus Mann durchlitt. „Stimulans“ ist alles in dieser Ausstellung: Sei es erlesen wie Wielands Wein, verschroben wie Schillers unvermeidliche Äpfel oder tödlich wie Trakls Kokain. „Ein vergnüglicheres und spannenderes Thema läßt sich für eine Darstellung kaum denken“, heißt es im dazugehörigen Marbacher Magazin. So viel Entzücktsein paßt zu den ausgestellten Devotionalien wie Schnupftabakdosen und Weinrechnungen. Je ernster es aber dem Schreibenden mit den Drogen war – und seltsamerweise wird das Schreiben selbst als lebensbestimmendes „Stimulans“ gar nicht betrachtet – desto hilfloser der Marbacher Kommentar. Bernward Vesper „nutzte“ die Erfahrungen seines LSD-Trips nicht einfach literarisch, auch wenn er, wie vor ihm Ernst Jünger, sein Erlebnis protokollierte.

„Man ist außer sich, aber man fühlt“, schrieb Benn. Solche Dokumente verraten mehr über die Wahrheit der Droge und derer, die sie nehmen, als tugendhafte Betrachtungen, wie sie auch Peter Rühmkorf in seiner Eröffnungsrede ausbreitete: „Hanf ist keine Kinderdroge und gehört nicht auf den Schulhof. Oder wem sich gar dringende Terminarbeiten auf der Schreibtischplatte stapeln, sollte lieber die die Hand von der Pfeife lassen.“ Gibt es etwas Uninspirierteres als Kiffen nach Plan? Christina Bylow

„Vom Schreiben 3: Stimulanzien oder Wie sich zum Schreiben bringen?“, bis 3. 12., Literaturhaus, Fasanenstraße 23