Mit Elfmeter-Entscheidungen an den großen Pott?

■ Hollands Top-Schiedsrichter bleibt gesperrt: Dick Jol soll auf Spiele gewettet haben, die er selbst pfiff – und womöglich zugunsten seines Wettscheins entschied

Amsterdam (taz) – Hat er oder hat er nicht? Dick Jol (39) steht jedenfalls am Pranger, weil er dem Fernsehmagazin „Deadline“ zufolge auf seine eigenen Spiele gewettet haben soll. Die Sperre des auch international eingesetzten Schiedsrichters wurde am Montag vom Fußballverband KNVB bestätigt. Jol will dagegen klagen – verliert er, sieht er dem schmählichen Ende seiner Karriere entgegen. Es geht um die Moral: Darf ein Schiedsrichter auf Spiele, die er pfeift, wetten? Und um Betrug: Hat er mit Pfiffen dafür gesorgt, daß Spiele so endeten, wie er gewettet hatte?

Tatort Nummer eins soll ein Gemüseladen in Den Haag sein, in dem Jol angeblich regelmäßig Beiträge zwischen 500 und 1.000 Gulden gesetzt hat. Allerdings führte das Fernsehteam als Beweise zweifelhafte Aussagen anonymer Zeugen an – „auf frischer Tat“ wurde Jol nicht ertappt. Die weiteren Tatorte sollen einige Stadien sein, in denen Jol möglicherweise ganz bewußt fehlentschieden haben könnte.

Neben verdächtigen Partien aus der Vergangenheit gibt es auch in dieser Saison ein Spiel, dessen Ablauf spektakulär zu nennen ist: Bei Feyenoord Rotterdam gegen Vitesse Arnheim gab Jol drei Strafstöße – die zwei für Feyenoord wurden allerdings von Ronald Koeman und Henrik Larsson vergeben. Später mußte der Vitesse- Spieler Jochemsen vom Platz. Im nachhinein sieht es so aus, als ob Jol Rotterdam unbedingt zum 5:2-Sieg verhelfen wollte, Beweise fehlen bisher.

Der Bauunternehmer Dick Jol, geboren im nördlich Den Haags gelegenen Seebad Scheveningen, ist seit 1979 Schiedsrichter. Früher spielte er bei diversen Amateurvereinen in den Niederlanden und als Halbprofi in Belgien bei Menen, Berchem Sport und KV Kortrijk. 1985 debütierte er als Schiedsrichter im bezahlten Fußball. Seine Ex-Frau sagt, ihr Mann sei spielsüchtig gewesen und habe sogar mit einer von ihr erschlichenen Unterschrift eine Hypothek aufgenommen, um seine Spielschulden zu decken.

Schwarz gespielt werden kann in den Niederlanden überall – in Den Haag laut Algemeen Dagblad „beim Gemüsebauern an der Ecke, beim Zigarrenhändler, beim Kneipenbesitzer und in der Snackbar“. Das „schwarze Toto“ soll es in allen großen Städten geben, die Formulare dafür sollen überall zu bekommen sein. Die Polizei nennt die Gewinne „Krümel“, der Mittelstand würde „ein paar Cent“ verdienen. Manchmal sollen auch professionelle Organisationen dahinterstecken. Ansonsten kann der Spieler, fast wie in England, auf die verrücktesten Fragen setzen. Fußball aber interessiert natürlich am meisten, beim Wochenend-Topspiel Ajax gegen den PSV Eindhoven (1:1) sollen angeblich illegal Millionen umgesetzt worden sein. Die Polizei will dagegen nicht einschreiten, solange sich niemand daran stört.

Dick Jol will nun mit einer einstweiligen Verfügung erreichen, daß seine Sperre wieder aufgehoben wird. Der KNVB hat seine Beweise übrigens noch immer nicht auf den Tisch gelegt. Die der TV- Sendung müssen als mindestens zweifelhaft gelten. Es könnte sein, daß nicht allein Dick Jol ein Problem hat. Seine Anwältin fordert schon jetzt Schadensersatz vom Fernsehsender. Falk Madeja