Wahlchaos macht das friedliche Tansania zum Krisenherd

■ Opposition verlangt die Annullierung der gesamten Präsidentschafts- und Parlamentswahlen vom Oktober

Nairobi (taz) – Gelingt es erstmalig in der Geschichte Afrikas Regierungsgegnern, Parlaments- und Präsidentschaftswahlen offiziell für ungültig erklären zu lassen? Das höchste Gericht Tansanias befaßt sich heute in Daressalam mit einem entsprechenden Antrag von zehn Oppositionsparteien. Sie können für ihr Anliegen gute Gründe vorbringen: Der Urnengang, der am 29. Oktober in dem ostafrikanischen Land stattgefunden hatte, war von Chaos überschattet. In ungewöhnlich deutlicher Form haben nationale wie internationale Beobachter den Wahlverlauf kritisiert. Die 150 Mitglieder starke Gruppe des Commonwealth bezeichnete die Ausstattung der Wahllokale als unzureichend und stellte fest, daß das Wahlgeheimnis an mehreren Orten nicht gewährleistet war. Die größte nationale Beobachtergruppe Temco nannte die Wahlen einen „Riesenschwindel“.

Tansania gehört zu den wenigen Ländern Afrikas, die seit ihrer Unabhängigkeit auf eine Geschichte des Friedens zurückblicken können und deren politisches Leben auch nicht von ethnischen Rivalitäten beherrscht wird. Aber im Vorfeld der ersten Mehrparteienwahl des Landes hatte die Opposition der seit 34 Jahren allein regierenden CCM („Partei der Revolution“) Betrugsversuche und unzulässige Manipulation vorgeworfen. Sie beschwerte sich über Unregelmäßigkeiten bei der Wählerregistrierung sowie über Parteilichkeit von Polizei, Beamtenapparat und Staatsmedien.

Am Wahltag selbst fehlten in zahlreichen Wahllokalen die Abstimmungsunterlagen. Andernorts öffneten die Wahllokale erst mit mehrstündiger Verspätung oder überhaupt nicht. Kurzfristig verlängerte die Nationale Wahlkommission den für die Abstimmung vorgesehenen Zeitraum um zunächst zwei Stunden, dann um einen ganzen Tag. In Daressalam,der größten Stadt des Landes, war das Durcheinander so groß, daß der Urnengang hier am 19. November wiederholt werden soll. Überall sonst im Land, so behauptet die Regierung, seien die Wahlen jedoch korrekt verlaufen. Die Ergebnisse müßten daher respektiert werden. Angesichts schlechter Verkehrsverbindungen ist es für unabhängige Beobachter praktisch unmöglich, diese Angaben zu überprüfen. Oppositionskandidaten haben von chaotischen Zuständen auch im Landesinneren berichtet.

Die wichtigsten Oppositionsparteien haben bereits angekündigt, die Wiederholung der Wahl in Daressalam boykottieren zu wollen. Sie fordern die Bildung einer Mehrparteienregierung für eine Übergangszeit von sechs Monaten und danach Neuwahlen unter UN- Aufsicht. Die Regierung hat das abgelehnt. Der scheidende Präsident Ali Hassan Mwinyi, der sich nach zwei Legislaturperioden nicht mehr zur Wahl stellen konnte, erklärte die bislang veröffentlichten Ergebnisse für gültig und sagte, er werde „keinen Unsinn“ von der Opposition tolerien.

Der bisherigen Auszählung zufolge hat die regierende CCM 152 von insgesamt 232 Sitzen im Parlament und damit die absolute Mehrheit errungen. Die Oppositionsparteien eroberten demzufolge lediglich 34 Mandate. Vorläufige Ergebnisse der Präsidentschaftswahl wurden noch nicht veröffentlicht. Bettina Gaus