PDS diskutiert Militäreinsätze

■ Teile der PDS-Bundestagsgruppe befürworten unter „ganz bestimmten Voraussetzungen“ Kampfeinsätze der UNO

Bonn (taz) – „Genossinnen und Genossen, verweigert den Gehorsam“, so hatte die Kommunistische Plattform der PDS Hannover in der vergangenen Woche an alle Mitglieder der Partei appelliert. Sie hatte damit unter den Demokratischen Sozialisten eine hektische innerparteiliche Debatte über ihr antimilitaristisches Selbstverständnis ausgelöst. Denn der Anlaß für diesen pathetischen Aufruf des innerparteilichen Liniengerichts war nicht die Bundesregierung, die jetzt deutsche Soldaten zur Friedenssicherung ins ehemalige Jugoslawien schicken will, sondern „der rechte Parteiflügel der PDS“. Dieser betreibe den „Ausverkauf der Partei“ und die „Kapitulation vor dem bürgerlichen System“. Dabei hatte der Bereich Außen- und Friedenspolitik der PDS-Bundestagsgruppe für die interne Diskussion nur ganz vorsichtig „einige Fragen zur zivilen Konfliktbewältigung und zu Militäreinsätzen“ formuliert. „Unterstützen wir die Forderung nach einem ständigen peace-keeping-Kontingent der UN?“ wurde in dem siebenseitigen Papier gefragt. „Können wir uns unter den Bedingungen einer reformierten UNO (...) vorstellen, daß das ursprüngliche Anliegen der UN-Charta auch mit militärischen Mitteln durchgesetzt würde?“

„Es kann zu so schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen kommen, daß der Weltfrieden gefährdet ist“, rechtfertigte die außenpolitische Sprecherin der PDS- Bundestagsgruppe, Andrea Lederer, die Überlegungen der von ihr geleiteten Arbeitsgruppe. Doch die Aufregung unter den GenossInnen war groß, denn bislang hatte man standhaft und geschlossen gegen alle Versuche der Bundesregierung protestiert, die bundesdeutsche Außenpolitik zu militarisieren. Die Pazifisten in der PDS sahen ihre Partei schon auf Joschka-Fischer-Kurs. „Jeder Marsch beginnt mit dem ersten Schritt“, mahnte der PDS-Ehrenvorsitzende Hans Modrow, und der Parteivorsitzende Lothar Bisky erklärte energisch, „die PDS bleibt eine antimilitaristische und pazifistische Partei“.

Am Montag diskutierte die PDS-Bundestagsgruppe das Papier, und hinter den antimilitaristischen Bekenntnissen auf allen Seiten wird auch in der PDS inzwischen kontrovers darüber diskutiert, ob und unter welchen Bedingungen man friedenserhaltenden Blauhelm-Missionen und friedenserzwingenden Militäreinsätzen der Vereinten Nationen seine Zustimmung erteilen könne.

In Jugoslawien, so klagte Gysi, würden die Blauhelm-Truppen der Großmächte für nationale Interessen mißbraucht. Aber, so der Vorsitzende der Bundestagsgruppe, kein Linker könne die Intervention der Franzosen auf den Komoren verurteilen. Schließlich habe in dem kleinen Inselstaat eine rechtsextreme Söldnertruppe eine demokratisch legitimierte Regierung hinweggefegt. Auch in Ruanda hätte die Staatengemeinschaft intervenieren müssen, wenn so der Massenmord an über 500.000 Menschen hätte verhindert werden können.

Von Fall zu Fall müsse über solche weitreichenden Fragen entschieden werden, so Gysis Plädoyer. Und wenn die PDS zu der Einschätzung komme, in Ex-Jugoslawien gebe es Konzentrationslager, dann müsse sie, wenn alle nichtmilitärischen Interventionsmöglichkeiten versagt hätten, auch dafür sein, diese mit militärischen Mitteln zu befreien. Gysis Ansichten blieben nicht unwidersprochen. Dies seien die falschen Fragen zur falschen Zeit, hieß es. Grundsätzlich müsse sich die PDS jedem Militäreinsatz widersetzen, forderte etwa der PDS-Abgeordnete Ludwig Elm. Wenn man sich auf solche Diskussionen einlasse, gebe es kein Halten mehr. Eine Frage bleibt bei der PDS noch ein Tabu: die Beteiligung der Bundeswehr an Blauhelm-Missionen und Kampfeinsätzen. Den „Großmachtplänen der Bundesregierung“ will man sich weiter widersetzen, darin war sich die PDS- Bundestagsgruppe einig. Christoph Seils