Rabins Mörder kommt aus gutem religiösem Hause

■ Jigal Amir bereut nichts. Die Polizei vermutet, daß er zur rechtsextremen „Ejal“ gehört. Die Organisation jagt „arabische Nazis und ihre jüdischen Kollaborateure“

Vor seinem Untersuchungsrichter zeigte der Mörder Jitzhak Rabins keinerlei Reue. „Ich habe den Ministerpräsidenten getötet, um die Welt aufzurütteln“, sagte der 25jährige Jigal Amir am Montag. Den Mord habe er „gemeinsam mit Gott“ begangen.

Seit Montag sitzt auch der 27jährige Bruder des Attentäters, Hagai Amir, in Untersuchungshaft. Er hat gestanden, die 9-mm- Dumdumgeschosse bearbeitet zu haben, die Jigal aus einem Beretta- Revolver auf Rabin abfeuerte. Etwa 20 Geschosse habe er an der Spitze angebohrt und mit einer kleinen Stahlkugel versehen, weil sich damit präziser schießen lasse, erklärte Hagai. Von dem geplanten Verwendungszweck habe er allerdings keine Ahnung gehabt.

Die Polizei glaubt dagegen, daß die beiden Brüder den Mord besprochen und dabei die Frage diskutiert haben, ob es „zum Zweck der Einstellung des Friedensprozesses günstiger sei, Rabin oder Peres umzubringen“. Hagai hat zugegeben, davon gewußt zu haben, daß sein Bruder schon zweimal zuvor geplant hat, Rabin umzubringen. Gegenüber den Ermittlern sagte er jedoch, die Pläne seines Bruders seien nicht ernst zu nehmen gewesen. In der Wohnung Hagais fand die Polizei eine 9-Millimeter-Beretta.

Die beiden Brüder Amir kommen aus gutem religiösem Haus in Herzlia bei Tel Aviv. Ihre Mutter ist Kindergärtnerin, der Vater überwacht im Auftrag des Rabbinats die religöse Reinheit von Lebensmitteln. In ihrer Umgebung gelten die Nachfahren von Einwanderern aus dem Jemen als sehr ordentlich, ruhig und strebsam.

Das Verhör Jigal Amirs durch den Untersuchungsrichter Dan Arbel geriet teilweise zur absurden Diskussion über Religion. Auf die Frage des Richters, ob er denn nie von den Zehn Geboten gehört habe, antwortete der Student jüdischen Rechts: „Es tut mir leid, daß Sie nicht mehr vom Inhalt der Thora wissen. Es gibt dort wichtigere Anweisungen als das Gebot „Du sollst nicht töten!‘“ Nach der Halacha, dem jüdischen religiösen Gesetz, müsse „jeder, der sein Volk und sein Land dem Feind überläßt, getötet werden.“

In einer Art Erklärung an die im Gerichtssaal anwesenden Journalisten sagte der schmale junge Mann: „Hat denn Rabin in seinem Testament angeordnet, daß alle auf einmal ihre Abscheu zum Ausdruck bringen sollen? Hat denn das israelische Volk nicht zur Kenntnis genommen, daß hier ein palästinensischer Staat errichtet wird? Sollen die Araber hier die Zukunft Israels bestimmen?“ Anschließend erklärte der Richter, Jigal Amir habe gestanden, bei vollem Verstand das wahrscheinlich abscheulichste Verbrechen in der Geschichte des jüdischen Staates begangen zu haben.

Die Polizei vermutet, daß Amir der rechtsradikalen „Ejal“ angehört. Die im Untergrund agierende Organisation wird für Anschläge gegen Araber verantwortlich gemacht. Die Führung der Gruppe hat dementiert, daß Amir Mitglied der Organisation sei. Man kenne sich jedoch. „Ejal“ ist die hebräische Abkürzung von „Irgun Jehudi Leumi Lohem“ (National-jüdische Kampforganisation). Die Mitglieder werden militärisch ausgebildet, um „arabische Nazis und alle ihre jüdischen Kollaborateure zu bekämpfen“, wie es in einer Publikation der Organisation heißt.

Bereits in der Nacht zum Sonntag soll die Polizei die Wohnungen der drei wichtigsten „Ejal“-Führer in der Siedlung Kiryat Arba bei Hebron gestürmt haben. Von den Gesuchten trafen sie jedoch nur Benjamin Aharoni an. Er wurde in Untersuchungshaft genommen. Die anderen sollen sich in der Siedlung verstecken.

Die Führung von „Ejal“ besteht aus 15 Leuten. Insgesamt soll die Organisation 200 Mitglieder haben. Jigal Amir soll zu einem Ableger von „Ejal“ gehören, der an der Universität Bar Ilan aktiv ist, wo Jigal Amir studierte. Auch Hagai Amir ist Student an der religiösen Hochschule, allerdings studierte er an einer Zweigstelle der Universität, in der Siedlung Ariel, in der Westbank.

„Ejal“ will nichts von den Mordplänen gewußt haben. „Wenn wir gesagt haben: Rabin gehört umgebracht, dann haben wir das nicht wörtlich gemeint“, sagte einer ihrer Vertreter. Man habe „nur so geredet, um Dampf abzulassen“. Öffentlich bedauert hat den Mord von der „Ejal“-Führung jedoch niemand. Ein Vertreter erklärte, kurzfristig sei die Tat für die Ziele der Organisation „vielleicht schädlich“, aber in Zukunft werde „Jigal noch als Held anerkannt werden“. Amos Wollin, Tel Aviv