Mehr Stürme in der Teetasse

■ Die Brit-Popper Oasis ziehen die Rotze hoch, weil sie keine Mittelklasse-Wichser wie die Konkurrenz von „Blur“ sind

Wer hätte das gedacht? In England tobt der Popkrieg, poppt der Tob-Krieg, und keiner merkt es. Und vor allem: Deutschland hört weg. „Das klingt doch genau wie die Kinks, ach was, wie die Beatles“ – darunter wird nichts mehr verglichen. Wir hören alles an Poptradition raus, was uns die Götter dereinst schenkten, man sollte sogar so weit gehen, das Teeschlürfen bei Blur und das Rotze-Hochziehen bei Oasis auf den Platten deutlich zu hören.

Was keiner weiß: Die englische Presse macht sich immer ihre eigenen Helden. Das nennen wir „Hype“. Jede Woche wird eine andere Band aufs Tablett gelöffelt, Mod-Klamotten und wirre Frisuren reichen da zunächst mal als Startvoraussetzungen. „Nee, die Engländer!“ Und bei der Entscheidung, wer denn nun wertiger sei, Blur oder aber Oasis, machen sie es sich nicht leicht, diese Engländer. Das spaltet die ganze Nation. Auch die sogenannten Revolverblätter mischen ordentlich mit. Und die Jungs der beiden konkurrierenden Bands gießen auch noch Öl in den Großbrand und hauen sich, nicht ohne dabei in die Kameras zu lächeln. Oasis nennen Blur „Mittelklasse-Wichser“. Dann gibt es Schlagzeilen.

Aber in Deutschlands viskoser Presselandschaft mag keiner einige Anmerkungen treffen. Dabei wären geradezu Features angebracht, wenn nicht immer noch untertrieben. Auch wenn es etwas weit hergeholt zu sein scheint, so sollte man doch zumindest mal andenken, ob es da nicht Parallelen zu den Zwistigkeiten zwischen des Beatles und den Stones gibt. Das finden Sie abwegig? Aber sehen Sie doch mal: Studenten gegen Proleten, Middle Class gegen Working Class, Mod gegen Rock! Rock, Rock, Rock. Und Pop, Pop, Pop.

Außerdem ist es sicherlich nicht uninteressant, die plötzlich diesen Bands zuteil werdende Aufmerksamkeit in Bezug zur allgemeinen Wirtschaftslage zu betrachten. Gerne helfe ich mit Faktenwissen aus: Die Popindustrie hat in England inzwischen einen bedeutend höheren Umsatz als die darniederliegende Stahlindustrie. Das sagt doch schon einiges. Denn selbstverständlich sind Blur wichtiger für den Export und besser, weil eben auch intelligenter. Rock is over.

Benjamin v. Stuckrad-Barre

Freitag, 10. November, Große Freiheit, 21 Uhr