Interstellarer Geschlechtsakt

■ Mit Species legt Roger Donaldson spannende Action, aber keinen Science fiction vor

Zwei Versprechen stehen am Beginn des Films. Da ist zum einen der Titel: In giftgrünen Buchtstaben erscheint er vor dem Hintergrund des Weltalls – eine deutliche Reminiszenz an Alien. Selbst wer Ridley Scotts Science-fiction-Klassiker nicht kennt, spürt in diesem Moment den ersten Schauder. Die übrige typographische Gestaltung der Titelsequenz erinnert dagegen eher an die Raumschiff Enterprise-Serie, die wie keine andere für optimistische Zukunftserwartungen steht. Das Weltall als Ort der Schrecken und der Verheißungen – sollte Species womöglich gerade die Spannung zwischen diesen Extremen thematisieren?

Auch der Ausgangspunkt der Geschichte nährt die Erwartungen auf gute Science fiction. Die Wissenschaftler des SETI-(Search for Extraterrestrial Intelligence)-Projekts haben Signale aus dem Weltall empfangen und entschlüsselt. Es handelt sich um eine Gensequenz, die sie synthetisiert und mit menschlichen Genen kombiniert haben. Das Ergebnis dieses interstellaren Geschlechtsakts wirkt zunächst wie ein hübsches, unschuldiges Mädchen. Aber natürlich täuscht dieser erste, äußere Eindruck.

Ähnlich wie in Jurassic Park geht es in Species also um das Zusammenwirken der beiden bislang leistungsfähigsten Methoden für die Speicherung und Übermittlung von Informationen. Die seit über 3 Milliarden Jahren erprobte Codierung von Nukleinsäuresequenzen findet in der elektronischen Datenverarbeitung erstmals einen ebenbürtigen Partner. Gentechnik und Digitalisierung läuten Umwälzungen von naturgeschichtlichen Ausmaßen ein, die das Leben auf diesem Planeten in unvorhersehbarer Weise (wie Chaostheoretiker Jeff Goldblum in Jurassic Park unermüdlich erläutert) verändern wird. Ein Wahnsinnsstoff für Science fiction.

Regisseur Roger Donaldson bleibt aber leider nicht beim Thema, sondern verlegt sich nach dem vielversprechenden Anfang auf die Schilderung einer Verfolgungsjagd. Der kosmische Bastard flieht aus dem Labor und muß gefunden und getötet werden. Das ist durchaus spannend und packend inszeniert. Aber es ist eben keine Science fiction. Wissenschaft und Technik sind nicht wirklich Gegenstand der Auseinandersetzung, sondern dienen in erster Linie dazu, überraschende Wendungen der Geschichte zu legitimieren und den Produktionsdesignern und Tricktechnikern gestalterische Freiheiten einzuräumen.

Von Ambivalenzen, wie sie in Jurassic Park auftauchen, ist Species jedoch meilenweit entfernt. Die einzigen Widersprüche gegen die Vernichtung des Fremdartigen sind eine Träne, die Ben Kingsley am Anfang in der Rolle des Forschungsleiters vergießt, und der Dialogsatz einer Wissenschaftlerin am Ende: „Wir haben mit einem Wesen gekämpft, das halb menschlich, halb etwas anderes war. Ich frage mich, zu welcher Hälfte das Raubtier gehörte.“ Das haben die Bilder zu diesem Zeitpunkt längst beantwortet. Wenn das Alien seine Opfer verspeist, legt es stets seine menschliche Hülle ab.

Hans-Arthur Marsiske