Lokalkoloratur

Da hat er noch einmal Glück gehabt, nämlich das „Glück des späten Verfahrens“, wie der Vorsitzende Richter sich gestern ausdrückte. Der Hamburger GEW-Chef Hans-Peter de Lorent wurde vor der kleinen Strafkammer des Landgerichts Hamburg im Berufungsverfahren freigesprochen. Weil der Vorfall bereits rund zwei Jahre zurückliegt, konnten sich die Zeugen nicht mehr an den genauen Ablauf einer Protestkundgebung erinnern. Zu klären war: Hatte de Lorent in seiner Rede die TeilnehmerInnen dazu aufgefordert, die Bannmeile zu verletzen. Denn einige GEWler waren mit Bildungsbausteinen in Form von Pappkartons auf den Rathausmarkt gezogen, obwohl dieser wegen einer Sitzung der Bürgerschaft polizeilich gesperrt gewesen war. Der Vorsitzende Richter befand entgegen der ersten Instanz, daß de Lorent nicht der große Psychologe sei, der seine Funktionäre derart manipulieren könnte, um sie gegen ihren Willen zu Straftaten zu bewegen. Vielmehr beschrieb er ihn als den Erich Honecker der GEW (das wollte de Lorent heute eigentlich nicht in der Zeitung lesen), der sich „sklavisch an sein Redemanuskript gehalten“ habe, und in dem habe er nicht zu einer Straftat aufgefordert. So ist die Gewerkschaftswelt wieder in Ordnung. Die ÖTV muß nicht aus Solidarität sammeln gehen, um die 3000 Mark Geldstrafe für de Lorent aufzubringen.

paf