Quirliges betulich

■ Nach 250 Jahre wieder aufgeführt: Telemanns „Admiralitätsmusik“

Von künstlerischen Selbstzweifeln war Hamburgs langjähriger Musikdirektor nie geplagt: Wenn er wollte, meinte Georg Philipp Telemann einmal, könnte er sogar einen Torzettel komponieren. Von diesem avantgardistischen Tonexperiment hat der Meister letztlich doch abgesehen, aber Werke wie die Kanarienvogelkantate und die „singende Geographie“ zeugen nach wie vor von Telemanns wildem Einfallsreichtum.

In die Sparte dieser musikalischen Skurrilitäten ist auch die Hamburger Admiralitätsmusik von 1723 zu rechnen, die am Dienstagabend in der Musikhalle nach über 250 Jahren erstmals wieder komplett in ihrer originalen Fassung aufgeführt wurde. Dem Geburtstagsständchen für die Schiffahrtsbehörde liegt ein ausufernd-allegorischer Text zugrunde, der göttliche Glückwünsche an Hammonia in bildprächtiger Barockrhetorik zum Ausdruck bringt. Ob Mercurius das rege Treiben an der Börse schildert oder die Elbe die Reize ihrer elysischen Gestade ausmalt, stets überrascht die Musik Telemanns mit anschaulich-illustrativen Wendungen. Quirlige Spielfiguren von Oboen und Fagott, repräsentativer Pauken- und Trompetenschall, lind säuselnde Blockflöten, der ganze Apparat erklingt allein zum Wohle des hanseatischen Gemeinwesens.

Die Möglichkeit, ein derart ungetrübtes Loblied auf Stadt, Senat und Bürgerschaft erklingen zu lassen, ließ die Kulturbehörde der veranstaltenden Telemann-Gesellschaft finanziell unter die Arme greifen. So konnten Sänger aus der ersten Garnitur der Barockmusik-szene verpflichtet werden. Doch leider wurde der orchestrale Ideenreichtum des Werkes durch das Bremer Barockorchester unter Wolfgang Helbich dieser Klasse nicht gerecht. Die authentisch gemeinte Phrasierung ließ keine Spannungsbögen entstehen, der Mangel an rhythmischem Profil nivellierte die charakterlichen Kontraste. Mit derart betulichem Musizieren kommt man der vitalen Musik Telemanns nicht wirklich nahe. Jörg Königsdorf