Zwischen Ghetto und Exotismus

■ „Apartheid im Kunstbetrieb“: Schwarze KünstlerInnen nur als Folkloristen erwünscht / Anja Kuhr von Cultur Cooperation im taz-Gespräch über Rassismus in öffentlich-rechtlichen Museen

taz: Die „Cultur Cooperation“ wirft dem Kunstbetrieb Rassismus vor. Wie begründen Sie das?

Anja Kuhr: Sowohl der Ausstellungsbetrieb als auch der Kunstmarkt – im Gegensatz zu Musik, Theater oder Literatur – grenzt das ,Fremde' noch immer aus oder verweist Künstler aus Afrika, Asien oder Lateinamerika an separate Orte. Deshalb haben die Betroffenen selbst den Begriff Apartheid eingeführt. Ganz praktisch heißt das: Hinter den millionenschweren Fassaden der Museen für moderne Kunst werden europäische und amerikanische Künstler präsentiert, während die Nichteuropäer immer noch bevorzugt ins Völkerkundemuseum abgeschoben und vom Ausländerbeauftragten betreut werden.

Sind die Museen genauso ignorant wie der kommerzielle Kunstmarkt?

Auf dem Kunstmarkt gilt offenbar immer noch die alte Parole „Frauen und Neger verderben die Preise“. Jeder nichteuropäische Künstler wird als Risiko betrachtet. Doch im Gegensatz zu den Galeristen können wir von den Museumsdirektoren verlangen, daß sie sich auf ihre zentrale Aufgabe besinnen, nämlich explizit die Vielfalt der Formen und Visionen sichtbar zu machen. Indem sie Nichteuropäer immer noch ausschließen, zeigen sie außerdem, daß Rassismus in diesem Land keinesfalls nur das Problem der Straße ist.

Ist die afrikanische oder asiatische Kunst denn so anders als die in Europa?

Es wird immer so getan, als wenn die ,Moderne' die exklusive Errungenschaft des Westens wäre. Dabei ist nicht übersehbar und auch dokumentiert, daß die wichtigen europäischen Künstler zum Teil rabiat bei den Afrikanern kopiert haben. Das hat aber nie dazu geführt, daß diejenigen, die die Vorlagen geliefert haben, hier als Künstler anerkannt worden sind. Die heutigen außereuropäischen Werke werden entweder als ,traditionell' und damit ,primitiv' bewertet. Oder, wenn sich diese Künstler mit auch hier gebräuchlichen ,modernen' Themen auseinandersetzen, heißt es: das ist nicht authentisch. Denn von den Nichteuropäern wird noch immer erwartet, daß sie ,Magisch-Rituelles' liefern.

Ist afrikanische Kunst im europäischen Kontext denn überhaupt verständlich?

Der Kontext ist immer bedeutungsrelevant, auch bei europäischer Kunst. In erster Linie geht es darum, den elitären europäischen Kunstbegriff infragezustellen, der davon ausgeht, daß jedes europäische Kunstwerk über eine eigene Aura verfügt, für sich selbst spricht und sich angeblich auch jedem erschließt.

Wem nützt die Apartheid in der Kunst?

In erster Linie hat davon immer der weiße männliche Künstler profitiert, der sich auch heute immer noch hemmungslos außereuropäischer Ideen bedient. Wie zum Beispiel in der legendären Ausstellung „Magiciens de la Terre“ 1989 in Paris erkennbar wurde: Die Werke der wichtigen europäischen Kunst wurden neben nichteuropäische ausgestellt. Da ist beispielsweise ein Werk von Richard Long – Mud Circle – direkt über dem Bild eines Aborigines.

Long hat also geklaut?

Long wird die Ähnlichkeit, die Verbindung und letztlich auch die Zeitgenossenschaft nicht entgangen sein und er hatte keine Probleme damit. Nur die europäischen Kunstkritiker schrien Zeter und Mordio, daß man diese ,Bastler' aus Afrika neben ihre ,Fixsterne' gestellt hatte.

Fragen: Silke Mertins

Veranstaltungen:

9.11.: Podiumsdiskussion „Apartheid im Kunstbetrieb“, Kunstverein, 19 Uhr

10.11. Symposium im Völkerkundemuseum, ab 10 Uhr