Der Hauptzeuge fehlte

■ Schwieriger Verbandlungsbeginn um zwei Polizisten , die einem Ukrainer 39.000 Mark gestohlen haben sollen / Schwere Zweifel an der Version der Anklage

Vor dem Bremer Amtsgericht begann gestern nach langem hin und her die Hauptverhandlung gegen zwei Polizisten, die dem Ukrainer Igor Palarmatschuk vor eineinhalb Jahren 39.000 Mark gestohlen haben sollen. Der erste Prozeßtag verlief zäh: Der Hauptzeuge aus der Ukraine war nicht erschienen, die Verhandlung mußte immer wieder unterbrochen werden, Richter und Staatsanwalt waren auf die Situation nicht vorbereitet.

Laut Anklage war Igor Palarmatschuk 1994 im Auftrag einer ukrainischen Handelsfirma nach Bremen gekommen, um zwei Kleinlaster zu kaufen. Er hatte 35.000 Mark und 2.500 Dollar Bargeld in der Tasche sowie eine Zollbestätigung über eben diesen Betrag, als er am 30.4. bei einem Ladendiebstahl in einem Bremer Kaufhaus gestellt wurde. Die beiden jetzt angeklagten Polizisten des Innenstadtrevier 6 fanden bei ihm das Geld und einen Schließfachschlüssel. Sie fuhren mit ihm zum Bahnhof, überprüften das Schließfach und machten sich dann einfach mitsamt den Scheinen davon, so die Darstellung Palarmatschuks, dem die Staatsanwaltschaft offensichtlich glaubt.

Bei der gestrigen Verhandlung stritten die Polizisten, 31 und 35 Jahre alt, beide mit blonden, nackenlangen Stufenschnitten, den Vorwurf ab. Sie hätten bei Palarmatschuk zwar ein Geldbündel gefunden. Das seien aber höchstens 8.000 Mark gewesen. Weil der Wert des gestohlenen Pullovers geringfügig gewesen sei und es keine Hinweise auf weitere Straftaten gegeben habe, hätten sie dem Ukrainer sein Geld zurückgegeben. Daraufhin habe dieser sie mit Gesten dazu aufgefordert, den Polizeibericht über den Ladendiebstahl zu zerreißen. Er habe sie bestechen wollen. „Es war eindeutig, daß er uns Geld anbieten wollte“, sagte einer der Angeklagten.

Daß sie in ihrem anschließenden Bericht das Geldbündel mit keinem Wort mehr erwähnten, sei kein Vertuschungsversuch gewesen, sondern in solchen Fällen völlig üblich.

Da der eigentlich als Hauptzeuge vorgesehene Parlamatschuk zum ersten Prozeßtag nicht aus der Ukraine angereist war, ließ der Vorsitzende Richter auf die Schnelle andere Zeugen zusammentrommeln. Nach langen Wartezeiten und Unterbrechungen sagten schließlich drei Polizeibeamte und zwei Kaufhausdetektive aus, die aber nicht sehr zur Erhellung der ganzen Sache beitrugen. Ein Streifenpolizist gab an, er habe die beiden Angeklagten kurze Zeit nach dem Vorfall in Uniform beim Pokalspiel Werder Bremen gegen FC Porto gesehen. Der Dienststellenleiter des Innenstadtreviers hatte sie am folgenden Morgen zum Revier bestellt, wo Parlamatschuk sein Geld zurückforderte. Er warf den Angeklagten vor, sie hätten sofort nach der Durchsuchung des Ukrainers einen Dienstbericht schreiben müssen. Einer der Kaufhausdetektive sagte unter Eid aus, Palarmatschuk habe ihn nach dem Ladendiebstahl mit 300 Mark bestechen wollen. Der andere konnte sich weder daran erinnern, noch daran, daß die Polizisten bei der Durchsuchung Geldbündel fanden. „Da möchte ich mich nicht festlegen“, antwortete er auf entsprechende Fragen des Richters.

Die Verteidigung hat inzwischen Strafanzeige gegen den vermutlich um 39.000 Mark geschädigten Igor Palarmatschuk wegen Beste-chungsversuch gestellt. Ebenso gegen eine Staatsanwältin, weil sie diesen Vorwurf nicht mit der nötigen Energie verfolgt haben soll, wegen Strafvereitelung. Der Bremer Rechtsanwalt Bernard Docke, der in dem Prozeß als Zeugenbeistand von Palarmatschuk zugelassen ist, sagt „Bestechung ist in der Ukraine einfach üblich“. Sein Mandant habe ihm telefonisch zugesagt, daß er zum nächsten Prozeßtermin am 15.11. anreisen werde. „Er will doch sein Geld wiederhaben“.

Dem Richter und dem Staatsanwalt wirft Docke vor, die Zeugen und Angeklagten nicht kritisch genug zu befragen. „Die Akten liefern genug Anhaltspunkte für Zweifel an den Aussagen.“ Hintergrund ist seiner Meinung nach die Tatsache, daß das Amtsgericht Bremen zur Prozeßführung regelrecht gezwungen werden mußte. Es hatte vor einem Jahr die Anklage der Staatsanwaltschaft gegen die beiden Polizisten mit der Begründung abgelehnt, ihre Aussagen seien glaubwürdiger als die des Ukrainers. Das Landgericht hatte aber der Staatsanwaltschaft rechtgegeben. „Daß der Richter sozusagen zu dem Prozeß verdonnert wurde, ergibt einfach eine sehr belastete Ausgangssituation“, sagt Rechtsanwalt Docke. rek