Frauen-Projekte sind Stolpersteine

■ Auge in Auge mit Frauen sind sich PolitikerInnen einig: „Wir tun was für die Projekte“

Schneller als sonst versuchten die Abgeordenten gestern in die Bürgerschaft zu eilen. Vor dem Eingang hatten sich um 8.30 Uhr rund hundert Frauen der verschiedenen Bremer Frauenprojekte versammelt: Vom Autonomen Frauenhaus bis Schattenriß, von Belladonna bis Nitribitt. Die Abgeordneten stiegen über die als Stolpersteine ausgelegten Pappkartons, die die Frauenprojekte darstellten. „Ich stehe ausdrücklich hinter dieser Aktion“, sagte Ulrike Hauffe, Frauengleichstellungsbeauftragte des Landes Bremen.

Ulrike Hauffe und die Projektfrauen fürchten den Kahlschlag des Finanzsenators. Die vom Senat verabschiedeten Eckwerte für den Haushalt 1996/97 bedrohen die vom Sozial- oder Kulturressort finanzierten Fraueneinrichtungen. So hat Sozialsenatorin Tine Wischer bereits im September aufgelistet, was die von Senator Ulrich Nölle abgeknapsten 50 Millionen bedeuten.

Bei den verschieden Mädchenprojekten und Schattenriß müßten bereits knappe Stellen gestrichen werden. Die Förderung des Frauenberatungsladens müßte eingestellt werden, ebenso zwei Projekte für drogenabhängige Frauen und Prostituierte. „Die Frauen haben doch damit keine Chance mehr“, verurteilte Ulrike Hauffe die Sparvorschläge.

Die galten bislang lediglich als Diskussionsgrundlage. Doch bereits im Oktober hatte Sozial-Staatsrat Hoppensack den Frauenprojekten schriftlich geraten, daß diese „sich jetzt Gedanken darüber machen, wie Sie kurzfristig Aufgaben verändern und Kosten vermeiden können“. Freiwerdende Stellen „raten wir dringend vorerst nicht zu besetzen“. Im selben Brief kündigte Hoppensack an, bis November konkret mitzuteilen, wie und wo gespart werde.

Noch brüten die Abteilungsleiter im Sozialressort über den möglichen Einsparungen. Die Früchte ihrer Arbeit werden bis Frühjahr kommenden Jahres in der Deputation besprochen, konkrete Ergebnisse wird es nicht vor dem Haushaltsbeschluß im Juni 1996 geben.

Im Kulturressort läßt man sich ebenfalls Zeit. Kultursenatorin Kahrs will mit den einzelnen Sparten wie Musik, Literatur oder Theater sprechen. Danach werde entschieden, wo der Sparhammer fällt. Am Montag trifft sich Bringfriede Kahrs mit den VertreterInnen der Soziokultur, zu der auch das Frauenarchiv Belladonna und das Frauenkulturhaus Thealit zählen. „Sie können sicher sein, daß Frauen bei unseren Verhandlungen einen hohen Stellenwert haben“, sagte gestern Rainer Köttgen, Hauptabteilungsleiter im Kulturressort.

Nicht bestätigen wollte Köttgen Gerüchte, nach denen Belladonna in ihre Bestandtteile zerlegt werden solle: Das bundesweit renommierte Frauenarchiv in die Stadtbibliothek, die feministischen Veranstaltungen dann und wann in anderen Kulturzentren zulassen. Besser hätte es nach der Rechnung Thealit, das sich über Restaurant und Kneipe weitgehend selbst finanzieren könne und daher weiter gefördert werden solle.

Die in die Bürgerschaft hastenden Abgeordneten waren sich im Prinzip auch einig: „Wir tun etwas für die Frauenprojekte“, sagte Innensenator Ralf Borttscheller zu der versammelten weiblichen Macht. Seine vor ihm eingetroffenen KollegInnen aller Fraktionen versprachen ebenfalls sich für die Frauenprojekte einzusetzen. Lediglich der „charmante Finanzsenator mit seinen goldenen Knöpfen“ (SPD-Abgeordnete) ließ sich nicht beirren. ufo