Vorschlag

■ Das Schweigen der Trompete: Miles Davis im Amerikahaus

Miles Davis: „Roots“ (Detail) Abbildung: promo

Miles Davis, der 1991 mit 65 Jahren verstorbene Trompeter, zählt zu den prominentesten Musikern der Jazzgeschichte. Nebenbei hat er Brücken zur Pop-Musik geschlagen und ist entsprechend über den Kreis der Jazzfans hinaus bekannt und geachtet. Das Amerika Haus zeigt Miles Davis zum diesjährigen Jazzfest in einer weniger bekannten Rolle: als bildenden Künstler. Von der Gestaltung seiner eigenen Plattencover bis zur Filmmusik zu „Fahrstuhl zum Schafott“ – schon immer besaß er eine große Affinität zum Bild. Erst nach seinem Schlaganfall begann er regelmäßig zu zeichnen und zu malen.

Was anfangs therapeutischen Zwecken diente, wurde zur Leidenschaft. In den bilderhungrigen Achtzigern entstanden einige hundert Arbeiten, die den neoexpressiven Ausdrucksformen jener Zeit nahestehen. Während die Zeichnungen sich meist auf die ondulierenden Umrißlinien spitzfiguriger, tänzerischer Gestalten reduzieren, sind die Gemälde fülliger und bunter, phantasievoller und dynamischer. An afrikanische Masken erinnernde Gesichter, Profile und Augenpaare füllen die mit abstrakten Farbgerüsten unterlegten Bildflächen.

Einflüsse von Kandinsky und Miró, der Designergruppe Memphis und vor allem von Jean-Michel Basquiat sind offensichtlich, aber werden nur selten eigenständig umgewandelt. Unverbunden stehen sich künstlerische Bruchstücke gegenüber, die manchmal faszinieren, häufig aber unverbindlich und belanglos wirken. Wie meist in solchen Fällen gerät die späte Entdeckung einer Doppelbegabung zur Gratwanderung. Vor allem posthume Nutznießer spekulieren darauf, daß ästhetisches Genie beliebig verpflanzbar und vermehrbar ist und sich in bare Münze umsetzen läßt. Miles Davis war ein wundervoller Musiker, sein bildnerisches Wunderhorn hat nicht ganz so viel Glanz und Fülle. Michael Nungesser

„The Art of Miles Davis“. Bis 15.11., Mo., Mi., Fr. 11–17.30 Uhr, Di./Do. 11–20 Uhr, Sa. 11–16 Uhr, Amerika Haus, Hardenbergstraße 22-24, Charlottenburg. Katalog 20 DM