Ich fordere Diepgen heraus

Der 26jährige Christian Specht will Berlin regieren. SPD, PDS und Grüne unterstützen den „Idealkandidaten“, die CDU ärgert sich über die „gequirlte Scheiße“  ■ Von Dirk Wildt

Diepgen bekommt Konkurrenz. Wenn sich CDU und SPD auf eine Große Koalition einigen oder eine konservative Minderheitsregierung ans Ruder kommt, wird es bei der Wahl des Regierenden Bürgermeisters zwei Kandidaten geben. Der 26jährige arbeitslose Christian Specht will gegen Diepgen antreten und verspricht sich gute Chancen: SPD, PDS und Bündnisgrüne wollen Specht unterstützen.

Als Mitglied dieser drei Parteien sowie deren jeweiligen Jugendorganisationen und der FDP sei er „der ideale Gesamtberliner Kandidat“, sagt etwa der grüne Fraktionschef Wolfgang Wieland. „Keiner ist so wenig umstritten.“ Dem Fraktionssprecher der SPD, Peter Stadtmüller, gefällt Spechts Vorschlag, Diepgen zum Jugendsenator zu machen. Der Vater zweier Kinder kenne sich in der Jugendpolitik aus und „braucht Abwechslung“. Diepgen müsse aber Spechts Bedingung erfüllen, den Indianerkopfschmuck zu tragen, mit dem er im Wahlkampf Plakate zierte. Harald Wolf von der PDS hält Specht für den einzigen konsensfähigen Kandidaten im Abgeordnetenhaus: „Wofür andere eine Volkspartei brauchen, das verkörpert Christian in einer Person.“

Specht ist seit Jahren als Unikum bekannt. Polizeibeamte erinnern sich gut an die achtziger Jahre, als es an Demos nicht mangelte und Specht dort regelmäßig mit Laubsägearbeiten wie einem Holzgewehr und Holzkamera auftrat. Bis heute besucht Specht das Autonomenplenum im Mehringhof ebenso wie die Sitzungen der CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus. Zuletzt nahm er im Wahlkampf an der Schlacht junger PDS- Genossen gegen die „Wahre-Heino-Partei“ KPD/RZ am Heinrichplatz teil und bewarf die „Kreuzberger Patrioten“ mit Tomaten.

Unter CDU-Abgeordneten verteilt er schon mal Schirmmützen, die er von der Internationalen Funkausstellung besorgt hat. Bei der scheidenden Parlamentspräsidentin Hanna-Renate Laurien (CDU) soll er einen Stein im Brett haben. „Die war in Ordnung!“ erinnert sich der Kandidat an die alte Dame. Auf der Straße, in Zeitungsredaktionen und Parteizentralen sammelt er in Blechbüchsen immer wieder Geld für den „antifaschistischen Kampf“, für Flüchtlinge oder um sich einen Geburtstagswunsch zu erfüllen.

Specht wohnt in der Neuköllner Friedelstraße „bei Oma“. Wo sein Vater wohnt, ist ihm nicht bekannt, eine Mutter hat er nicht mehr. Er ist arbeitslos und bekommt keinen Job, weil er geistig leicht behindert ist. „Ich habe bei meiner Geburt zu wenig Sauerstoff bekommen“, sagt er und lispelt dabei.

Als „unabhängiger Regierender Bürgermeister“ will er im Parlament Wärmestuben für Obdachlose einrichten und dort einmal in der Woche mit Politikern eine Talkshow machen, „bei der die Bürger zu Wort kommen“. Autofahrer sollen künftig Bus und Rad benutzen, die Straßenbahn dafür auch im Westteil fahren. Bei der U- und S-Bahn will Specht Waggons nur für Frauen reservieren. Die Diäten der Abgeordneten will er senken, unter anderem „damit die SPD ihre Strafe bekommt“.

Die Diätenfrage ist einer der wenigen Punkte, in dem der Fraktionssprecher der SPD nicht mit Specht übereinstimmt. „Wir sind keine Masochisten, noch mehr Strafe wollen wir nicht“, meint Stadtmüller. Der neuen SPD- Fraktion muß sich Specht noch vorstellen, bei der PDS und den Grünen sollen ihn bereits alle Abgeordneten kennen. Die CDU zeigt sich verärgert. „Das ist gequirlte Scheiße“, lautet der knappe Kommentar von deren parlamentarischem Geschäftsführer Dieter Hapel. Seine Kollegin Gisela Greiner wiederum interessiert sich dafür, ob mit Specht die Behindertenquote erfüllt werden könnte.

Specht machen solche Beleidigungen nicht an. Er will ohnehin nur ein Jahr lang den Posten des Regierenden ausfüllen, dann soll ein neuer Kandidat in das Amt.